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24. Oktober 2009


Neue Koalition:
„Tauschen Atomwaffen gegen Wehrpflicht“

von Otfried Nassauer

Koalitionsverhandlungen sind eine Form des „do ut des“. Das belegt auch der heute veröffentlichte Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP. Beide Parteien mussten geben, damit ihnen gegeben wurde.

Der FDP wurde gegeben, dass sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen konnte, die verbliebenen Nuklearwaffen aus Deutschland abzuziehen. Im Kontext der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2010 und „im Zuge der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzeptes der NATO werden wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.“ So der Koalitionsvertrag auf Seite 112. Dem kleinen neuen Koalitionspartner gewährte die CDU/CSU, was sie dem großen, bisherigen immer wieder verweigert hatte.

Einlenken und nachgeben musste die FDP dagegen bei einem anderen Thema: Der Wehrpflicht. Diese bleibt bestehen. Der Wehrdienst soll auf sechs Monate verkürzt werden. Damit soll ermöglicht werden, dass mehr junge Männer zum Wehrdienst gezogen werden und die von Gerichten zuletzt immer wieder angezweifelte „Wehrgerechtigkeit“ noch einmal ein paar Jahre behauptet werden kann.

Gut möglich aber, dass beide Zielzugeständnisse von den Regierungspartnern in spe im Laufe der kommenden Legislaturperiode nicht umgesetzt werden können. Die Bundeswehr steht aus finanziellen und strukturellen Gründen vor einer erneuten Umgestaltung, die tiefe Einschnitte in Personalstruktur und –umfang implizieren wird. Eine Kommission soll dem designierten Verteidigungsminister Gutenberg dafür bis Ende des kommenden Jahres Vorschläge unterbreiten, zu denen eine längerfristige Beibehaltung der Wehrpflicht nicht zwingend gehören muss.

Auch dafür, dass in der kommenden Legislaturperiode die verbliebenen 10-20 Nuklearwaffen der USA aus Büchel abgezogen werden, gibt es keine Garantie. Selbst wenn die Regierungen in Bonn und Washington einen solchen Schritt befürworten - was nunmehr als wahrscheinlich gelten darf - können sich unerwartete Hindernisse auftun. Ein taktisches Bündnis neuer NATO-Mitglieder, wie Polen, Tschechien und Baltische Republiken, mit Vertretern des bürokratischen Beharrungsvermögens in der NATO könnte aus anti-russischen Motiven auf einer Beibehaltung des substrategischen Nuklearpotentials der NATO beharren oder gar darauf drängen, diese Waffen im Falle eines Abzuges aus Deutschland auf dem Territorium der neuen NATO-Mitglieder zu stationieren. Vor die Wahl gestellt, solchen Wünschen nachzukommen und somit politisch verbindliche Zusagen zu brechen, die Washington Moskau 1997 angesichts der ersten NATO-Osterweiterung gab (die sogenannten drei bzw sechs No’s), könnte es aus Sicht der USA als kleineres Übel erscheinen, vorläufig alles beim Alten zu belassen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS