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19. April 2014


Siegmar Gabriel und die Leoparden
Versuch einer Sachstandsklärung

von Otfried Nassauer


Über die ‚Bild am Sonntag’ ließ Wirtschaftsminister Gabriel vor knapp einer Woche durchblicken, dass Saudi-Arabien keine Leopard-Panzer erhalten soll. Weder aus Deutschland, noch aus Spanien, wo diese in Lizenz produziert werden können. Dafür seien deutsche Zulieferungen und deutsche Genehmigungen erforderlich, die es nicht geben werde. Die Nachricht lässt aufhorchen, weil sie ein lange umstrittenes Export-Geschäft betrifft.

Saudi Arabien wolle bis zu 800 der deutschen Panzer kaufen und habe dafür bis zu 18 Milliarden Euro bereitgestellt, weiß die BamS aus saudischen Quellen zu berichten. Das entspräche rechnerisch einem Preis von 22,5 Mio. € pro Panzer. Allerdings inklusive Ausbildung, Wartung und Ersatzteilausstattung. Und vermutlich auch inklusive der landesüblichen Zusatzkosten für geschäftsdienliche Zahlungen, vulgo Korruption. Im März dieses Jahres, so die BamS, habe sich Saudi-Arabien mit Spanien geeinigt, zunächst ein erstes Los von 150 Leopard 2A7plus zu beschaffen. Dieser Vertrag tritt aber nur in Kraft, wenn die Bundesregierung die erforderlichen Genehmigungen zusagt. Und nun ein Berliner „Njet!“?

Was ist dran? An dem Geschäft und an der Genehmigung, die jetzt verweigert werden soll, obwohl der Bundessicherheitsrat dem Geschäft auf eine vorläufige Anfrage doch schon im Juni 2011 sein „grünes Licht“ signalisiert haben soll. Dazu gehört ein Blick in die Geschichte.


Die Vorgeschichte

Die große Koalition unter Führung von Kanzlerin Merkel (CDU) und Außenminister Steinmeier (SPD) traf 2008 eine folgenschwere Entscheidung: Sie beantwortete eine Voranfrage für einen Panzer- und Haubitzenexport auf die arabische Halbinsel positiv. Katar interessierte sich für modernste Leopard-Panzer und deutsche Panzerhaubitzen vom Typ PzH 2000. Wenn Israel keinen Widerspruch einlege, dürfe geliefert werden, entschied der Bundessicherheitsrat – auf damals sozialdemokratischen Vorschlag. Aus Israel kam kein Nein. Die bislang prinzipiell ablehnende Haltung Deutschlands gegen Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel war aufgebrochen. Künftig, so wurde zugleich festgelegt, seien  Lieferungen auf die arabische Halbinsel kein Tabu mehr, sondern Gegenstand von Entscheidungen im Einzelfall.

Die saudische Regierung, seit mehr als 30 Jahren an Leopard-Panzern interessiert, nahm dies zur Kenntnis und verstand es als Einladung, ihr Interesse erneut zu bekunden. Saudi Arabien wandte sich an Spanien. Von Monarchie zu Monarchie machten die Saudis spätestens 2010 ein verlockendes Angebot: Madrid solle für Saudi-Arabien Leopard-Panzer in Lizenz bauen, liefern, warten und versorgen. Ein Regierungsgeschäft, bei dem der saudische Staat die Panzer vom spanischen kauft und dieser sie bei der Industrie fertigen lässt. Ein gutes Geschäft mit langer Laufzeit und deutlich größerem Volumen als ein simpler Panzerkauf bei der Industrie. Zunächst war von etwa 200 bis 270 Panzer für 3 Milliarden Euro die Rede, später sickerte aus saudischen Quellen in der Bild-Zeitung durch, langfristig benötige Saudi-Arabien sogar 600-800 Panzer. 

Die Anfrage in Spanien brachte Deutschland gleich mehrfach ins Spiel: Spanien stellt eine ältere Version des Leopard-Panzers her, den Leopard 2E. Dieser entspricht in etwa dem Leopard 2A5. Um modernere Versionen wie den Leopard 2A6, 2A6M oder die modernste Variante Leopard 2A7plus herstellen zu können, benötigt der spanische Hersteller, Santa Barbara Sistemas, zusätzliche Lizenzen und Herstellungsunterlagen. Für die spanische Endmontage liefert die deutsche Industrie zudem wichtige Komponenten zu. Auch deren Export muss genehmigt werden. Spanien darf keine Leopard-Panzer ohne Billigung deutscher Behörden an ein Drittland verkaufen und muss die deutschen Rechte an der Technologie schützen. Denn der Lizenzhersteller Santa Barbara Sistemas gehört seit 2001 dem US-Konzern General Dynamics und der baut das wichtigste Konkurrenzmodell des Leopard-Panzers, den M1A2 Abrams.

Hinzu kam, dass auch der deutsche Hersteller des Leopard, Krauss Maffei Wegmann (KMW), damals ein starkes Interesse haben musste, einen Teil des Auftrags abzuarbeiten. KMW brauchte dringend einen Kunden, um seine Leopard-Produktion aufrecht zu erhalten und vor allem, um die Serienproduktion der neuen Version beginnen zu können. Ein zweiter potentieller Käufer - neben Katar – das war also eine sehr interessante Option. 

Schon 2010 begann der Geschäftsführer von KMW, Frank Haun, aus Saudi Arabien ein blaues Land auf seiner Weltkarte zu machen. Haun zeigte diese Karte gelegentlich seinen Gästen. Blaue Länder seien jene, in die er liefern dürfe, gelbe jene, in die er vielleicht liefern dürfe und die roten, das seien jene Länder, in die Lieferungen verboten seien. Saudi Arabien war früher ein rotes Land. Es sollte möglichst schnell zu einem gelben oder gar blauen werden.

Bis Mitte 2011 gelang es Haun, erste Voraussetzungen zu schaffen. Er hatte in den wichtigen deutschen Ministerien antichambriert und dafür geworben, dass die zuständigen Minister sich einem Export nach Saudi-Arabien nicht grundsätzlich in den Weg stellen sollten. Lieferungen auf die arabische Halbinsel seien ja nun im Prinzip genehmigungsfähig. Er wollte ein „grünes Licht“ der Regierung für Gespräche über eine Leopard-Lieferung nach Saudi-Arabien erreichen. Da Haun zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, ob die Lieferung letztlich aus Spanien, Deutschland oder gar aus beiden Ländern erfolgen würde, dürften seine Beschreibung des potentiellen Geschäftes und seine erste Anfrage noch recht allgemein gehalten gewesen sein. Am 27. Juni 2011 gab ihm der Bundessicherheitsrat das erhoffte grüne Licht. „Zustimmung“ notierte das Protokoll. Zwei Wochen später bekam DER SPIEGEL Wind davon und berichtete einige Monate später im Einzelnen wie es dazu gekommen war. Unklar blieb trotzdem, wie das „grüne Licht“ im Einzelnen aussah und wofür Haun es  bekommen hatte.

Teils lag das daran, dass Frank Haun immer bestritten hat, dass KMW überhaupt eine Voranfrage oder einen Genehmigungsantrag für umfangreiche Panzerlieferungen an Saudi Arabien gestellt habe. Der BSR fasst aber nur Beschlüsse, wenn ihm eine etwas zur Entscheidung vorliegt. Irgendetwas muss also im Juni 2011 zu entscheiden gewesen sein.

Ein Jahr später, 2012, war KMW im Besitz einer Genehmigung für die vorübergehende Ausfuhr eines Leopard-Panzers zur „Vorführung“ in Saudi-Arabien. Ein nach saudischen Vorstellungen von KMW umgerüsteter Leopard 2A6 aus niederländischem Bestand wurde unter Mitwirkung eines Stabsoffiziers der Bundeswehr in Saudi-Arabien vorgeführt. Denkbar ist es  deshalb auch, dass die Bundesregierung im Kontext einer Voranfrage oder des Antrags auf Genehmigung der vorübergehenden Ausfuhr für den Vorführpanzers über den möglichen, künftigen Panzerdeal mit Saudi-Arabien informiert wurde. Da die Vorführung genehmigt wurde, konnte Haun dies als „grünes Licht“ für weitere Gespräche über einen späteren Panzerexport nach Saudi-Arabien interpretieren und trotzdem Meldungen dementieren, er habe bereits eine Voranfrage für ein späteres Panzer-Panzerexportgeschäft gestellt.

Sein Vorgehen hätte dann gewisse Ähnlichkeiten mit einem Vorgang, der mehr als 10 Jahre zurücklag. Auch damals deutete sich ein in der deutschen Öffentlichkeit höchst umstrittener Export von Leopard-2-Panzern an. Hunderte Türkei geliefert werden, ihr Einsatz in den Kurdengebieten drohte. Auch damals ging es abgeblich zunächst nur um eine vorübergehende Ausfuhr eines einzelnen Panzers zu Erprobungszwecken.  

Als der möglich Export der Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien öffentlich wurde, wurde er schnell zum Symbol einer öffentlichen Auseinandersetzung über die Zukunft der deutschen Rüstungsexportpolitik. Der Streit wurde 2012 durch saudische Anfragen nach Transportpanzern des Typs Boxer, geschützte ABC-Abwehrfahrzeuge vom Typ Dingo und Patrouillenbooten der Lürssen-Werft immer intensiver. Zusätzlich angeheizt wurde die Diskussion durch Reden von Kanzlerin Merkel, in denen sie sich für die „Ertüchtigung“ befreundeter Regionalmächte aussprach, die bei Konflikten im westlichen Interesse stabilisierend aktiv werden könnten. Merkel erklärte die Lieferung von Waffen in solche Staaten für richtig. Die sogenannte Merkel-Doktrin.

Doch für das Wahljahres 2013 waren die Interessen der Kanzlerin bald anders gelagert. Weitere Anlässe für eine kontroverse Diskussionüber deutsche Rüstungsexporte sollten nun vermieden werden. Beue Exportvorhaben nach Saudi-Arabien wurden schon Ende 2012 im Bundessicherheitsrat lieber vertagt als entschieden. Auch KMW beugte sich dem Stillhaltewunsch der Kanzlerin und zeigte Zurückhaltung. So wurden erneute Umbauwünsche Saudi-Arabiens für das Leopard-2-Modell zunächst nicht technisch umgesetzt, der Panzer wurde nicht erneut in Saudi-Arabien vorgeführt und die Gespräche mit Spanien über das weitere Vorgehen gerieten ins Stocken. Auch eine für die Zeit kurz nach der Bundestagswahl angedachte Reise Hauns mit spanischen Regierungsvertretern nach Riad fand zunächst nicht statt. Die Regierungsbildung in Deutschland benötigte Zeit und mit Siegmar Gabriel übernahm ein SPD-Politiker das zuständige Wirtschaftsministerium, der Merkels Kurs in Sachen Leopard-Export nach Saudi-Arabien vor der Wahl scharf kritisiert hatte: „Stoppen Sie diese Irrfahrt!“, hatte Gabriel der Kanzlerin von den Oppositionsbänken aus zugerufen.

Möglich ist auch, dass zusätzlich industriepolitische Komplikationen in Spanien auftraten. Spanischen Quellen zufolge hatte KMW darüber nachgedacht, den spanischen Lizenzhersteller des Leopard, Santa Barbara Sistemas, aufzukaufen, falls das Geschäft mit Saudi-Arabien zustande käme. Das hätte die Option eröffnet, den Leopard dauerhaft in Spanienzu produzieren. Dazu hätte sich KMW aber mit seinem wichtigsten Konkurrenten, dem amerikanischen Konzern General Dynamics einigen müssen, für den Santa Barbara ein wichtiger Bestandteil seines Europa-Geschäftes ist. Zur Erinnerung: Als Santa Barbara 2001 privatisiert wurde, hatte auch KMW geboten, war den Amerikaner aber letztlich unterlegen. Mit dem Saudi-Arabien-Geschäft im Rücken hätte ein neuer Anlauf also zumindest interessant sein können. Allerdings konnte es keineswegs als sicher gelten, dass General Dynamics zum Verkauf bereit gewesen wäre, denn bislang ist der US-Konzern der wichtigste Panzerlieferant Saudi-Arabiens.

Im April 2013 änderte sich die Lage für KMW. Mit Katar wurde ein Vertrag über die Lieferung von 62 Leopard 2A7plus und 24 Panzerhaubitzen 2000 abgeschlossen.  Dieses Geschäft lastet einen Teil der deutschen Fertigungskapazitäten bei KMW und seinen Zulieferern vorläufig aus und reduziert somit auch die Möglichkeit, zusätzlich Panzer für Saudi-Arabien in Deutschland zu fertigen.

Beides, eine veränderte Einschätzung der Möglichkeiten Santa Barbara zu übernehmen und das Geschäft mit Katar, das die Existenz und Fortentwicklung des Kampfpanzerbaus bei KMW vorläufig garantierte, könnte in der Firma veränderte Prioritäten zur Folge gehabt haben. Die Zukunft der Panzerproduktion in Deutschland war vorläufig abgesichert. Das Hauptaugenmerk könnte sich deshalb auf das noch unabgesicherte Segment der leichteren gepanzerten Radfahrzeuge verschoben haben. 

Mit dem GTK-Boxer ist KMW gemeinsam mit Rheinmetall auch in diesem Segment mit einem modernen und leistungsfähigen, aber auch vergleichsweise schweren und teuren Fahrzeug vertreten. Deutschland und die Niederlande haben 2006 zusammen 472 Boxer bestellt, 200 für die Königlich Niederländische Armee und 272 für die Bundeswehr. Diese Fahrzeuge laufen derzeit zu. Bleibt alles im Plan, so wird Produktion bei KMW 2014/15 und die bei Rheinmetall etwa ein Jahr später enden. Was aber käme danach?

Geplant war, dass sich an die Erstbeschaffung des Boxers in Deutschland der Kauf eines zweiten Loses anschließen sollte. Doch das wird sich deutlich verzögern, wenn es überhaupt noch kommt. Erst im nächsten Jahrzehnt soll jetzt das Gros der Fuchs-Panzer bei der Bundeswehr ausgemustert werden. Die Bundeswehrreform reduziert den Bedarf und knappe finanzielle Ressourcen stellen das 2. Los des Boxers terminlich oder sogar ganz infrage. 

Auf die deutschen Hersteller und ihre Zulieferer kommt also eine Auslastungslücke zu. Soll der Boxer durchgängig weiter produziert werden, so müssten bis etwa 2014/15 erste Exporte eingeworben werden. Sonst käme die Produktionslinie zumindest vorübergehend zum Stillstand. Vor diesem Hintergrund bekam eine weitere Anfrage Saudi Arabiens möglicherweise höhere Dringlichkeit und Aktualität. 

Die Königliche Garde Saudi-Arabiens hat Interesse am Boxer gezeigt. Die Elitetruppe hat die Größe eines Regiments und besteht aus drei leichten Infanterie-Bataillonen. Dafür werden etwas mehr als 200 Boxer benötigt. KMW weiß von dem saudischen Interesse mindestens seit zwei Jahren. Bereits im Herbst 2012 lag dem Bundessicherheitsrat eine entsprechende Voranfrage vor. Diese wurde aber nicht entschieden sondern vertagt. Nach Bundestagswahl und Regierungsbildung wird der Vorgang wohl wieder auf den Tisch kommen. Vielleicht bereits bei der derzeit für Anfang Mai geplanten ersten Sitzung in der neuen Legislaturperiode. Es kann durchaus sein, dass industriepolitische Gründe und Firmeninteressen derzeit ein Exportgeschäft für den Boxer als wichtiger erachten als einen Leopard-Export nach Saudi Arabien.

Ist der Leopard-Export damit aus Sicht von KMW gestorben? Vermutlich nicht. Vor allem nicht längerfristig. KMW hat die Aushandlung des Vertrages zwischen der spanischen und der saudischen Regierung weiter unterstützt und begleitet. Firmenvertreter waren deshalb erneut in Saudi-Arabien und das Inkrafttreten des Vertrages ist vorläufig nur davon abhängig, ob die Bundesregierung Spanien die erforderlichen Genehmigungen erteilt. Die Regierungen Spaniens und Saudi-Arabiens werden sich dafür wohl noch stark machen. Saudi Arabien kann dabei auf das Geschäft mit Katar verweisen. Auch Katar ist keien westliche Demokratie und wird teilweise mit noch härterer Hand regiert als Saudi Arabien


Gabriels Nein

Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel hat sich deutlich positioniert und klar gemacht, dass er einer Exportgenehmigung für Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien nicht zustimmen würde. Sein Ministerium ist zuständig, er ist der Parteivorsitzende des kleineren Koalitionspartners und zugleich Vizekanzler. Man könnte also meinen: Ohne ihn geht in der Koalition nichts, deshalb ist der Leopard-Export nun endgültig gescheitert. Ganz klar ist trotzdem nicht, was Gabriels Nein letztlich bedeutet. 

In der laufenden Legislaturperiode hat es bislang keine Sitzung des Bundessicherheitsrates gegeben. So Gabriel vor der Bundespressekonferenz in dieser Woche. Lediglich der Vorbereitungsausschuss der Staatssekretäre hat bereits getagt und Beschlüsse gefasst. Es kann also noch keine neue Beschlusslage des Sicherheitsrates geben. Es gilt weiter, was 2008 und 2011 beschlossen wurde.

Über das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien muss also als Einzelfall entschieden werden, einem prinzipiellen Nein unterliegt es nicht. Das ist die Beschlusslage aus dem Jahr 2008. Was genau 2011 beschlossen wurde, ist nicht im Detail bekannt. Wurde damals auf eine Voranfrage zu einem größeren Leopard-Export aus Deutschland und/oder Spanien mit einem grünen Licht in verwaltungsrechtlich verbindlicher Form reagiert? Oder wurde im Rahmen einer anderen Entscheidung, z.B. über die geplante zeitweilige Ausfuhr eines Panzers zur Testzwecken nach Saudi Arabien ein mögliches größeres Exportgeschäft in dieses Land lediglich zur Kenntnis genommen?

Wäre das erste der Fall, so könnte Gabriels Ankündigung im Extremfall massiven Streit in der Koalition bedeuten. Dann jedenfalls, wenn Angela Merkel als Kanzlerin auf der KMW gegebenen Zusage beharren würde und sich gegenüber Gabriel aufgrund ihrer Weisungsbefugnis durchsetzt. Dann käme es zu einer ernsten Koalitionskrise. Das ist theoretisch denkbar, aber kaum wahrscheinlich. Anders lägen die Dinge, wenn das große Exportvorhaben nach Saudi-Arabien 2011 nur im Kontext einer anderen  Entscheidung zur Kenntnis genommen und dabei implizit von einer Billigung ausgegangen werden konnte – zum Beispiel im Kontext des Testpanzers. Dann könnte Gabriel argumentieren, dass eine Zustimmung in der Sache noch aussteht und diese mit ihm nicht zu machen sei. Befürworter und Industrie könnten ihm dann kaum vorwerfen, einmal gegebene Zusagen zu brechen.

Schließlich ist nicht auszuschließen, dass auch die kurzfristige Interessenlage von KMW heute eine andere ist als vor zwei Jahren. Wenn es KMW heute wichtiger wäre, die Genehmigung oder ein grünes Licht zum Beispiel für einen Boxer-Export nach Saudi-Arabien zu erhalten als das Leopard-Geschäft weiter zu verfolgen, dann könnte sich Gabriels Nein ebenfalls durchsetzen.

Allerdings könnte der Minister dann vor der Frage stehen, wie viel ihn sein Nein, also die Einhaltung eines Wahlversprechens, wert ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass er mit einem „Ja“ zu anderen Saudi-Arabien-Exporten dafür bezahlen muss. Die SPD hat bereits signalisiert, dass sie dem milliardenschweren Export von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien durch die Firma Lürssen zustimmt. Weiter offen, weil vom Bundessicherheitsrat vor der Bundestagswahl nur vertagt, sind die Entscheidungen über die saudischen Wünsche nach dem Boxer und nach ABC-Abwehrfahrzeugen vom Typ Dingo. Bei beiden wäre KMW mit von der Partie. Seine Haltung zu diesem Projekten ließ Gabriel bisher nicht durchsickern. In der Politik ist es jedoch nicht unüblich, eine gute Nachricht öffentlich zu machen und die dazugehörige schlechte zu verschweigen.

Rüstungsexportgegner und Friedensbewegung haben gegen den Export der Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien  mit dem Slogan „Legt den Leo an die Kette!“ wirksam und bislang wohl auch in der Sache erfolgreich protestiert. Soll dieser Erfolg keine Eintagsfliege werden, so wäre ihnen zu raten, ihren Slogan schnell zu erweitern: „Legt den Leo an die Kette! - Und den Boxer an die Leine!“ 


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS