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16. Februar 2012


Atombombe verspätet sich

von Otfried Nassauer


Die Atomwaffen der USA in Europa werden voraussichtlich mindestens zwei Jahre später durch neue ersetzt als bisher geplant. Der Einstieg in die Entwicklung der neuen Bombe, die die Bezeichnung B61-12 tragen soll, wurde 2011 nicht mehr freigegeben. Das Datum für die Fertigstellung des ersten Exemplars ist vom zuständigen Nuclear Weapons Council um zwei Jahre auf 2019 verschoben worden. Serienproduktion und Stationierung in Europa können somit erst 2020 erfolgen und nicht wie bisher vorgesehen 2018. Noch im letzten Jahr hatten die Vertreter der US-Regierung argumentiert, diese Waffe müsse spätestens 2018 für die Stationierung in Europa verfügbar sein, wenn die USA ihren Beitrag zur nuklearen Abschreckung der NATO zeitlich lückenlos erbringen wollten.

Der Haushaltsentwurf der US-Regierung für 2013 enthält diese neue Zeitplanung. Das zuständige Energieministerium beantragt nach 222,8 Millionen Dollar im Haushaltsjahr 2012 nun 369 Millionen Dollar für 2013, um die Waffe technische Entwicklung der Waffe zu finanzieren. Hinzu kommen in 2012 noch einmal 93,9 Millionen und 2013 weitere 80,2 Millionen Dollar für die Lenkeinheit, die von der Luftwaffe gesondert entwickelt wird. Die hohen Finanzansätze dürften im Kongress nun zu kritischen Nachfragen führen. Bislang steht noch nicht einmal fest, wie umfassend die Modernisierung der Bombe letztlich ausfallen und was das Entwicklungsziel sein soll. Auch diese Entscheidung wurde offenbar noch nicht getroffen. Noch immer liegen unterschiedliche Optionen auf dem Tisch. Mithin stellt sich die Frage, ob so viel Geld von den Nuklearwaffenlaboren überhaupt schon jetzt zielgerichtet ausgegeben werden kann.

Es ist jdoch nicht nur die neue Bombe, die Probleme macht. Auch das neue Flugzeug, das sie künftig tragen soll, steckt in großen Schwierigkeiten. Der Joint Strike Fighter - auch F-35 genannt - ist das derzeit größte Beschaffungsvorhaben der Welt. Erste Testflugzeuge sind in der Erprobung. Dabei haben sich so viele technische Probleme und bisher verfehlte Entwicklungsziele gezeigt, dass eine große Zahl technischer Änderungen an den Flugzeugen nötig wird. Im vergangenen Jahr wurde wegen dieser Probleme bereits das Management des Vorhaben ausgetauscht. Nun hat die Luftwaffe beschlossen, auch den Kauf der ersten 179 Flugzeuge zu verschieben und auch 2013 nur weitere 19 Erprobungsflugzeuge zu bestellen, mit denen das Programm am Laufen gehalten werden kann. Der für 2012 vorgesehene Einstieg in die Entwicklung einer besonderen nuklearfähigen Variante wurde dagegen wieder abgesagt. Er ist nun auf unbestimmte Zeit vertagt. Auch das Trägerflugzeug für die B61-12 wird also bis 2017/18 nicht wie vorgesehen zur Verfügung stehen - weder bei der US-Luftwaffe noch bei den NATO-Nationen, die die F-35A als Atomwaffenträger beschaffen wollten. Die Industrie kündigte kürzlich zudem an, durch die Programmverzögerungen werde das Flugzeug wohl teurer werden.

Hinter verschlossenen Türen hat die Suche nach einem Plan B begonnen. Die Air Force prüft, ob sie Flugzeuge der Typen F-15E und F-16 länger in Dienst halten und dafür noch einmal modernisieren sollte. Die Nuklearwaffenlaboratorien befassen sich mit der Frage, ob sie bei den heute stationierten Atombomben der Typen B61-3 und -4 Komponenten begrenzter Lebensdauer noch einmal austauschen müssen, bevor sie diese Waffen ersetzen können. Sollte das der Fall sein, könnte auch die Frage auftauchen, ob die geplante, neue Atomwaffe überhaupt erforderlich ist. Die U.S.-Regierung untersucht derzeit, ob sie die nukleare Abschreckung künftig nicht auch mit einer deutlich geringeren Zahl nuklearer Waffen sicherstellen und Russland nach den Präsidentschaftswahlen in beiden Ländern ein neues atomares Abrüstungsangebot machen soll.

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS