Originalbeitrag
04. November 2016


Hemmungslos und unersättlich – Rheinmetall und die Munitionsexporte

von Otfried Nassauer


Am 26. Oktober 2016 veröffentlichte  BITS in Zusammenarbeit mit anderen Nichtregierungsorganisationen die Fallstudie „Hemmungslos in alle Welt – Die Munitionsexporte der Rheinmetall AG“. Sie sollte darauf aufmerksam machen, dass der größte in Deutschland ansässige Rüstungskonzern auch einer der weltweit wichtigsten Exporteure von Munition ist und mahnt eine öffentliche Diskussion über dieses oft vernachlässigte Thema an. Munition ist ein Grundnahrungsmittel Krieges. Gerade die wirksamsten Mittel der Zerstörung, feuerstarke Waffensysteme, werden zu Hindernissen bei der Kriegführung, wenn ihnen die Munition ausgeht. Die Parallele zu einem alten Soldatenspruch drängt sich auf: „Ohne Mampf kein Kampf“.

Nur wenige Tage sind seit der Veröffentlichung vergangen und trotzdem haben bereits zusätzliche Daten deutlich gemacht, dass dem Thema Munitionsexport eine wachsende Bedeutung zukommt und die kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema unerlässlich ist. Deshalb ist schon jetzt ein kurzer Nachtrag zu unserer Studie sinnvoll.

Das Bundesministerium für Wirtschaft veröffentlichte Ende Oktober seinen Bericht über die im 1.Halbjahr 2016 erteilten Rüstungsexportgenehmigungen. Munitionsexporte spielen darin eine ungewohnt große Rolle. Aus dem Bericht geht – wie in vielen Medien berichtet - hervor, dass der Wert der Genehmigungen für Kleinwaffenmunition sich im Vergleich zum voraufgegangen Jahr verzehnfacht hat. Das war die kleinere Überraschung. Die größere fand sich versteckt in den Angaben zu den wichtigsten Empfängerländern. Für die 20 größten Empfängerländer wurden im 1. Halbjahr 2016 Exportgenehmigungen für Munition erteilt, die mehr als ein Fünftel des Wertes aller in diesem Zeitraum erteilten Exportgenehmigungen darstellen. Der Wert der Munitionsgenehmigungen für diese Länder betrug rund 820 Millionen Euro.[ 1 ] Der Wert aller Exportgenehmigungen lag bei rund 4 Milliarden Euro.

Tatsächlich liegt der Anteil der Munition an den durch die Bundesregierung erteilten Genehmigungen wahrscheinlich noch höher: Zum einen handelt es sich bei den 820 Millionen lediglich um Genehmigungen für die Warengruppe A0003, also Munitionen und Teile dafür, die aus Läufen und Rohren verschossen werden, also zum Beispiel Gewehr- und Panzermunition, Mörser- und Artilleriegeschosse. Torpedos, Bomben oder Lenkflugkörper sind auch Munition, werden aber in einer anderen Warengruppe mit der Nummer A0004 erfasst. Auch hier gab es Genehmigungen, zum Beispiel für schwere Marschflugkörper vom Typ Taurus, die nach Südkorea exportiert werden dürfen, ein Geschäft in dreistelliger Millionenhöhe. Zum anderen sind die 20 wichtigsten Empfängerländer nicht alle Staaten, in die der Export von Munition genehmigt wurde. Für alle anderen Länder liegen derzeit allerdings noch keine Zahlen vor. Der Munitionsexport – so macht der Bericht deutlich – stellt zweifellos einen wichtigen und wachsenden Teil des deutschen Rüstungsexports dar.

Ebenso interessant sind einige Zahlen, die die Rheinmetall AG zusammen mit ihren Geschäftszahlen für das 3.Quartal 2016 am 3.November veröffentlichte. Aus diesen geht hervor, dass der Rüstungsbereich des Konzerns in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum seinen Auftragseingang um 31% und seinen Umsatz um 18% steigern konnte. Er ist wirtschaftlich dauerhaft in die Gewinnzone zurückgekehrt.

Die Ursache dafür ist überwiegend in einem Teil dieses Konzernbereichs zu finden: dem Geschäftsbereich Waffe und Munition (RWM). Dort stieg Umsatz in den ersten 9 Monaten im Vergleich zum Vorjahr um 51% auf 720 Millionen Euro.[ 2 ] Die Pressemitteilungen des Konzerns berichten für diesem Zeitraum zudem von neuen Munitionsaufträgen in einem Wert von über 750 Millionen Euro. Der Munitionsbereich des Konzerns wächst also kräftig und der in unserer Studie konstatierte hemmungslose Export von Munition ist eine wesentliche Triebfeder dafür, das der Konzernbereich wieder Gewinn macht.

Auch das zeigt der Quartalsbericht: Standen bei Rheinmetall Defence 2015 nach 9 Monaten noch elf Millionen Euro Defizit zu Buche, so konnte der Bereich 2016 erstmals seit vier Jahren im gleichen Zeitraum wieder einen Gewinn verbuchen. Der Bereich Waffe und Munition gleicht mit einem Gewinn von 45 Millionen Euro die Verluste der anderen Bereiche der Rüstungssparte von insgesamt 13 Millionen Euro aus und führt den gesamten Rüstungsbereich mit 32 Millionen Euro trotzdem noch deutlich in die Gewinnzone. Wäre RWM mit seinen Auslandstöchtern und Exporten nicht so erfolgreich, wäre die Rüstungssparte der Rheinmetall AG wohl noch immer defizitär, signalisieren die Konzernzahlen.

Die geschäftliche Trendwende im Rüstungsbereich des Rheinmetall-Konzerns ist also bislang eng mit dem Bereich Waffe und Munition verbunden und damit auch mit dem Export von Munition. Das merken auch erste Analysten bei den Banken jetzt an: Die Erträge aus dem Munitionsgeschäft seien keine Eintagsfliege, sondern wiederkehrend, urteilte der Commerzbank-Analyst Sebastian Growe.

Für Rheinmetall Chef Armin Papperger ist es dennoch nicht genug des Erfolges. Während des Celler Trialogs, einer jährlichen Veranstaltung von Bundeswehr, Politik und Industrie, erklärte er vor rund zwei Wochen: „Unsere Produkte sind spitze. Doch die Exportpolitik für Rüstungsgüter ist in Deutschland zu restriktiv. Andere Länder sind viel großzügiger bei Exportgenehmigungen.“ Der letzte Satz mag richtig sein, die beiden ersten klingen nach Unersättlichkeit.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

 


Fußnoten:

[ 1 ] Die umfangreichsten Genehmigungen wurden mit 685 Mio. Euro für Empfänger in den USA genehmigt. Obwohl diese Exporte in ein NATO-Land gehen, sind sie aus Sicht des Autors nicht unproblematisch. Zum einen führen die Vereingten Staaten immer wieder erklärte und unerklärte Kriege, die völkerrechtlich betrachtet unzulässig sind. Zum anderen wirft die Höhe des Genehimigungswertes die Frage auf, ob damit nur der „Eigenverbrauch“ der US-Streitkräfte degeckt werden soll, oder ob die USA auch Munitionen an Verbündete weitergeben wollen. Wäre letzteres der Fall, so ergäbe sich eine gewisse Parallele zu den problematischen Pistolenexporten des Deutschen Hersteller Sig Sauer in die USA, die letztlich über die US-Streitkräfte nach Kolumbien weitergeliefert wurden. (Vgl.: http://www.bits.de/public/unv_a/orginal-290514.htm )

[ 2 ] Nach übereinstimmenden Medienberichten erklärte Rheinmetall diesen Anstieg u.a. mit der Lieferung von Marineinformation in ein MENA-Land. Es dürfte sich damit um einen Auftrag aus den Jahren 2012/13 handeln. (Vgl.: Research Report 16.01 S.24f.)