Streitkräfte und Strategien - NDR info
14. Dezember 2013


Große Koalition – Zweckbündnis auf Kosten der Bundeswehr?

von Otfried Nassauer

Koalitionsverträge haben eine Ähnlichkeit mit manchen Eheverträgen. Sie können ein Zweckbündnis besiegeln. Eine Zugewinngemeinschaft, die von Anbeginn an als zeitlich begrenzt betrachtet wird. Der Vertrag soll dann potenzielle künftige Konflikte der Partner regulieren und zugleich Ziele festschreiben, von denen beide etwas haben. 

Der Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD für die kommenden vier Jahre ausgearbeitet haben, ist so ein Zweckbündnis. Zumindest im Bereich der Sicherheitspolitik. Verantwortlich zeichnen vor allem zwei Politiker – jeder für seinen Zuständigkeitsbereich: Thomas de Maizière für die Verteidigung und Frank- Walter Steinmeier für die Außenpolitik. Beide waren Verhandlungsführer ihrer Parteien in der Arbeitsgruppe Außenpolitik und Verteidigung. Jeder hat dem anderen nur da in dessen Entwurf hineingeredet, wo eine Schmerzgrenze von SPD oder Union überschritten wurde oder wichtige Wahlversprechen betroffen waren. Schon dieses Verfahren garantierte eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass beide Partner mit dem Ergebnis zufrieden sein würden. So war es denn auch. Frank-Walter Steinmeier für die SPD:

O-Ton Steinmeier:
„Die Gespräche waren mitunter nicht einfach, aber ich darf sagen, sehr kollegial geführt, sehr an der Sache orientiert und das ist, glaube ich, der Grund, weshalb wir zu Ergebnissen gekommen sind, und, wie ich finde, guten Ergebnissen gekommen sind, von denen ich überzeugt bin, dass die Mehrheit der SPD-Mitglieder sie am Ende tragen können und tragen werden.“

Und Thomas de Maizière für die CDU:

O-Ton de Maizière:
„Die Neuausrichtung der Bundeswehr wird konsequent fortgesetzt. Die Bundeswehr braucht Planungssicherheit. An den getroffenen Entscheidungen halten wir grundsätzlich fest. Im Rahmen der ohnehin vorgesehenen Evaluierung im nächsten Jahr wird nachgesteuert, wo sich Änderungsbedarf ergibt.“

Herausgekommen ist zu erheblichen Teilen eine Addition der jeweiligen Wünsche. Die Koalitionäre versuchen sich bei Streitkräfteplanung und Bundeswehrreform an einer Quadratur des Kreises: Die Grundzüge sollen erhalten bleiben, in Einzelfragen kann nachgesteuert werden. Da wird zum einen der Personalumfang der Bundeswehr mit markigen Worten festgeschrieben – Zitat: 

Zitat Koalitionsvertrag:
„Der festgelegte militärische Personalumfang von bis zu 185.000 Sol­datinnen und Soldaten entspricht dem Bedarf einer leistungsfähigen, aufgaben- und einsatzorientierten Bundeswehr (...) Eine weitere Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr ist keine Perspektive.“

Gleichzeitig soll es bei der mittelfristigen Finanzplanung bleiben. Mehr Geld gibt es also nicht. Zitat: 

Zitat Koalitionsvertrag:
„Die bestehende mittelfristige Finanzplanung bildet dafür die Grundlage.“

Zugleich werden aber Mehrausgaben ins Auge gefasst, die bislang nicht Gegenstand der Haushaltsplanung waren: Die Zahl der Zivilbeschäftigten soll noch einmal überprüft und die Zielgröße von 55.000 bei Bedarf angepasst – also nach oben korrigiert werden. Die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr soll durch verschiedene Maßnahmen erhöht werden. Der im vergangenen Monat ausgeschiedene Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, freute sich kürzlich im Deutschlandfunk:

O-Ton Kirsch:
„Also diese Koalitionsvereinbarung beinhaltet eine Menge unserer Forderungen als Berufsverband. (...) Das steht jetzt so drin und das ist berücksichtigt. Ich denke, da können wir aus den sozialen Gesichtspunkten, die so ein Berufsverband wie der unsrige natürlich immer ganz nach vorne stellt, schon ganz zufrieden mit sein. Das heißt, wir haben unsere Argumente offensichtlich auch so scharf weitergegeben, dass das angenommen werden konnte.“

Das wird nicht billig. Und auch andere Zusagen werden Geld kosten: So soll die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer wehrtechnischer Betriebe durch höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung gestärkt werden. 

Offen bleibt, woher dieses Geld in den nächsten vier Jahren kommen soll, wenn es bei der bisherigen Finanzplanung bleibt. Natürlich kann man immer auf künftige Minderausgaben hoffen: Der Abzug aus Afghanistan senkt die Kosten für die Auslandseinsätze. Aber zunächst kostet er Geld. Richtig ist auch: Die Ausgaben für den technisch noch nicht ausgereiften neuen Schützenpanzer Puma werden später anfallen, weil er anders als eigentlich geplant, kürzlich von der Bundeswehr nicht abgenommen worden ist. Ähnliches gilt für Groß-Drohnen, die derzeit noch nicht zugelassen werden können. Auch die Auslieferung des neuen Transportflugzeugs A400M wird sich noch einmal verzögern. Aufgeschoben heißt aber nicht, dass diese Kosten aufgehoben sind.

So mancher Einsparung stehen zudem noch nicht eingeplante Mehrkosten gegenüber: Das teuerste Beispiel ist der Eurofighter. Die große Koalition muss im kommenden Jahr entscheiden, ob sie die letzten 37 der ursprünglich geplanten 180 Flugzeuge noch beschafft und dafür die ältesten bereits ausgelieferten Flugzeuge dieses Typs weiterverkauft. Weil der Eurofighter viel teurer wurde als geplant, kostet die weitere Eurofighter-Beschaffung etliche Milliarden, die bisher im Haushalt nicht eingeplant sind. Einnahmen aus dem Verkauf älterer Flugzeuge könnten dagegen ein frommer Wunsch bleiben, wenn sich kein Käufer findet. Im Koalitionsvertrag findet sich zu diesem Problemkomplex nichts. Die Rüstungsplanung wird mit wenigen allgemeinen Worten abgehandelt – Zitat:

Zitat Koalitionsvertrag:
„Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmögliche Ausrüstung. Dabei steht ihre Sicherheit im Mittelpunkt. Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht und nicht, was ihr angeboten wird.“

Das klingt gut und ist eigentlich selbstverständlich. Das gilt auch für den folgenden Satz:

Zitat Koalitionsvertrag:
„Der Staat kann erwarten, dass bestellte militärische Ausrüstungsgüter vertragsgerecht, pünktlich und unter Einhaltung der verabredeten Preise und Qualität geliefert werden.“

Eigentlich eine Binse. Jedoch nicht bei der Bundeswehr. Angesichts der Beschaffungswirklichkeit fällt es schwer, beim Lesen solcher Sätze nicht am eigenen Lachen zu ersticken. Sie haben einfach zu viel Chuzpe. Wenn es hart auf hart kommt, so wie jetzt bei der Restrukturierung des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, dürften andere Aussagen des Koalitionsvertrages ernst genommen werden. Dort heißt es auch - Zitat: 

Zitat Koalitionsvertrag:
„Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.“

Bei der Entscheidung zur Zukunft des Eurofighters geht es um mehr Geld als bei allen anderen Vorhaben, die angesprochen werden. Im Koalitionsvertrag wird aber so getan, als gäbe es dieses Problem nicht. Damit wird diese wichtige Frage der tagespolitischen Taktik, den Lobbygesprächen in Hinterzimmern und den aktuellen sogenannten Sachzwängen überlassen. Bekannt ist, dass die Luftwaffe die neuen Flugzeuge gerne hätte. Bekannt ist auch, dass der Eurofighter im bayrischen Manching gebaut wird, einem Standort bei dem EADS den Rotstift ansetzen könnte.

Umgekehrt gibt es folgendes Problem: Werden die zusätzlichen Flugzeuge bestellt, so durchstößt die Rüstungsplanung der Bundeswehr mit ihrem Helm die finanzielle Decke, unter der sie traditionell hängt. Die schönen Versprechen des Koalitionsvertrages könnten dann nur eingelöst werden, wenn es wieder einmal deutlich mehr Geld geben würde als bisher vorgesehen. Politische Zweckehen und Zugewinngemeinschaften kosten etwas – bezahlen muss sie der Steuerzahler.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS