Leasen statt kaufen
Warum die Luftwaffe für Afghanistan nicht die eigentlich gewünschten
Aufklärungsdrohnen bekommt
von Otfried Nassauer
Die Zeit drängt. Auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan
will die Bundeswehr mit neuen Aufklärungsdrohnen antworten. Deutsche
Patrouillen um Kunduz oder Faisabad sollen schon im Voraus wissen, wo
Aufständische im Hinterhalt lauern könnten. Die Informationen
sollen durch Drohnen gewonnen werden, die aus rund zehntausend Metern
Höhe ihre Bilder und Daten zur Erde funken. Militär-Experten
sprechen von SAATEG – SAATEG steht für „System Abbildender Aufklärung
in der Tiefe des Einsatzgebietes“. Das Verteidigungsministerium hat das
Vorhaben kürzlich zum einsatzbedingten Sofortbedarf erklärt.
Es will noch in der Sommerpause einen Vertrag aushandeln, damit die Drohnen
ab Anfang 2010 zur Verfügung stehen. Diese Entscheidung beinhaltet
gleich mehrere Überraschungen.
Erstens will die Bundeswehr die neuen Aufklärungsdrohnen nicht kaufen,
sondern leasen. Richtig gehört: Leasen - wie ein neues Auto, für
dessen Kauf nicht genug Geld da ist. Etwas mehr als 100 Millionen Euro
soll die Miete für zunächst drei Jahre kosten. Für diese
Summe wollte die Bundeswehr ursprünglich Drohnen kaufen.
Deshalb wurde zweitens die geplante Beschaffung bundeswehreigener Aufklärungsdrohnen
auf unbestimmte Zeit vertagt. In die Anforderungen für künftige
Drohnen sollen die Erfahrungen einfließen, die man mit den geliehenen
Systemen macht. Berücksichtigt werden sollen dann auch die Ergebnisse
einer aktuellen Studie über ein neu zu entwickelndes Drohnensystem,
die der europäische Luft- und Raumfahrtriese EADS im Mai abgeliefert
hat.
Drittens entschloss sich der verantwortliche Rüstungsstaatssekretär,
Rüdiger Wolf, kurzfristig zu einer 180-Grad-Wende. Das Verteidigungsministerium
hatte zuvor einhellig die amerikanische Drohne des Typs Predator B bzw.
Reaper favorisiert. Für dieses System war das wirtschaftlich günstigste
und technisch leistungsfähigste Leasing-Angebot vorgelegt worden.
Nach den Regeln der Bundeshaushaltsordnung hätte es eigentlich den
Zuschlag bekommen müssen. Doch es kam anders. Die Bundeswehr least
nun die leistungsschwächeren Drohnen des israelischen Typs Heron
1. Wolfs überraschender Sinneswandel erfolgte nach einem Gespräch
mit den Berichterstattern der Regierungsfraktionen im Haushaltsausschuss.
Der Bonner Militärexperte und Blogger Michael Forster von geopowers.com
meint, dass der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, den Sinneswandel erzwungen
hat:
O-Ton Forster:
„Also nach meinem Kenntnisstand ist es so gewesen - und das ist mir
mehrfach bestätigt worden von verschiedenen Quellen -, dass der
SPD-Abgeordnete Kahrs, der im Haushaltsausschuss der Berichterstatter
der SPD für Verteidigungsfragen ist, dass der mit Nachdruck für
Heron 1 eingetreten ist und dem Staatssekretär Wolf gedroht hat,
dass er bei der Frage der Eurofighter-Tranche 3a nicht zustimmen werde.
Und das war natürlich ein immenses Druckmittel und daraufhin ist
die Vorlage umgeschrieben worden.“
Kahrs ist nicht unumstritten. In den Jahren 2004 und 2005 soll er von
Rheinmetall, dem deutschen Anbieter der israelischen Heron-Drohnen, eine
fünfstellige Summe für seinen SPD-Unterbezirk als Spende erhalten
haben. Das berichteten übereinstimmend mehrere große Zeitungen.
Staatssekretär Wolf erklärte seinen plötzlichen Sinneswandel
ganz anders: Der rechtzeitige Einsatz des Predator B sei nicht gesichert.
In diesen Drohnen stecke amerikanische Technologie, deren Export eine
Genehmigung der US-Regierung und die Befassung durch den US-Kongress erfordere.
Bei Heron 1 dagegen gebe es dieses Problem nicht. Wolfs Geheimnis bleibt
allerdings, warum dieses wichtige Argument für ihn nicht schon bei
Positionsbestimmung des Ministeriums ausschlaggebend war.
Die Luftwaffe nahm Wolfs Entscheidung mit hörbarem Zähneknirschen
auf. Luftwaffeninspekteur Klaus-Peter Stieglitz im vergangenen Monat auf
NDR Info:
O-Ton Stieglitz:
„Ja es ist richtig, die Luftwaffe hat ein anderes Gerät bevorzugt
und tut es eigentlich heute noch. Nun ist es anders gekommen. Wir werden
das so akzeptieren und versuchen, mit dem anderen Gerät so schnell
wie möglich in den Einsatz zu kommen.“
Die Luftwaffe favorisierte das US-System Predator B bereits, als die
Bundeswehr noch eigene Drohnen kaufen wollte. Vielleicht auch, weil sich
die aktuelle Version, Reaper, nicht nur zur Aufklärung nutzen lässt.
Die Drohne kann man bei Bedarf auch mit Raketen bewaffnen, um Ziele am
Boden zu bekämpfen. Damals konkurrierte sie mit der Heron TP, einem
leistungsfähigeren Nachfolger der Heron 1.
„Den Soldaten im Einsatz das Beste.“ So lautet ein gerne benutztes Diktum.
Im Fall der neuen Aufklärungsdrohnen fand es keine Anwendung. Die
Heron 1 ist dem Predator B nicht ebenbürtig. Ihr Leistungs- und Einsatzspektrum
ist geringer. Sie hat bislang kein Aufklärungsradar an Bord und kann
somit bei schlechtem Wetter auch nur schlecht aufklären.
Noch einmal der Rüstungsexperte Michael Forster:
O-Ton Forster:
„Das israelische System Heron 1 ist eine Generation älter als das
amerikanische Predator B-System. Das ist also eine Generationszeit von
- ich würde sagen - mindestens 5 Jahren... Allein von daher wäre
der Predator B natürlich besser.“
Die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan müssen also in den kommenden
Jahren mit der zweitbesten Lösung leben. Obwohl die bessere sogar
billiger gewesen wäre.
Auch das Argument, die Predator-Drohne stehe möglicherweise nicht
rechtzeitig zur Verfügung, scheint wackelig zu sein. Erst nach der
Schneeschmelze im späten Frühjahr oder Frühsommer werden
die Aufklärungsdrohnen für die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten
in Afghanistan wirklich wichtig. Bis dahin könnten die Genehmigungen
der USA durchaus vorliegen. Denn Washington hat ein Interesse, dass die
Bundeswehr ihre Aufgaben gut erfüllen kann.
Was also steckt wirklich hinter der Entscheidung, vorerst keine eigenen
Drohnen für die Bundeswehr zu kaufen und stattdessen eine schlechtere
Zwischenlösung zu wählen? Offizielle Aussagen gibt es dazu nicht.
Nur Anhaltspunkte.
Von Staatssekretär Wolf weiß man, dass er darauf gedrängt
hat, die parlamentarische Entscheidung für die Drohnen unbedingt
noch in dieser Legislaturperiode zu treffen. Nach der Bundestagswahl erfolge
ein Kassensturz - wegen der Auswirkungen der Finanzkrise, so ist zu hören.
Mit Geld für neue Drohnen sei dann kaum noch zu rechnen.
Leben kann mit der getroffenen Entscheidung auch der europäische
Rüstungskonzern EADS. Bisher haben nur die USA und Israel große
leistungsfähige Drohnen entwickelt, die kurzfristig geliefert werden
könnten. EADS fürchtet, für einen wachsenden Markt kein
eigenes Produkt anbieten zu können. Deshalb hat der Konzern begonnen,
mit Forschungsgeldern aus Frankreich, Spanien und Deutschland eigene leistungsstarke
Aufklärungsdrohnen zu konzipieren. Für insgesamt 2,9 Milliarden
Euro, so verspricht EADS, könne man den Bedarf der drei Länder
mit einem Drohnensystem der nächsten Technologiegeneration decken.
Talarion heißt das Vorhaben, das heutigen Drohnen deutlich überlegen
sein soll und mit dem angeblich vieles verwirklicht werden kann, was sich
die Militärs schon lange wünschen: Düsen- statt Propellerantrieb,
austauschbare Zuladungspakete für unterschiedliche Missionen und
anderes mehr. Stefan Zoller, Rüstungsvorstand der EADS in der FINANCIAL
TIMES DEUTSCHLAND. Zitat:
Zitat Zoller:
„Es geht um die Weichenstellung, ob die Europäer im Zukunftsmarkt
der unbemannten Flugzeuge künftig eine eigenständige Rolle spielen
oder auf Modelle aus den USA und Israel angewiesen sind.“
Doch bislang hatte der EADS-Vorschlag einen Schönheitsfehler. Das
Drohnensystem Talarion gibt es nur auf dem Papier. Es muss erst entwickelt
werden, wird im günstigsten Fall 2013 erstmals fliegen und würde
frühestens 2015 ausgeliefert. Für den sofortigen Einsatz in
Afghanistan ist es also keine Alternative. Langfristig ist das EADS-Projekt
Talarion dagegen industriepolitisch durchaus eine Option. So sah es im
Dezember auch Christian Schmidt, der Parlamentarische Staatssekretär
im Verteidigungsministerium. Zitat:
Zitat Schmidt:
„Das Advanced UAV stellt, neben anderen, ein mögliches System für
die erforderliche Zielausstattung dar. Die Zielausstattung soll geeignet
sein, den Anforderungen sehr umfänglich gerecht zu werden. (...)
Da die mit der Anfangsausstattung gewonnen Erfahrungen in den Auswahlprozess
der Zielausstattung mit einfließen sollen, ist eine Beschaffungsentscheidung
zum Advanced UAV nicht zeitnah zu erwarten.“
Auf lange Sicht darf sich EADS also über das Leasingmodell freuen.
Denn die Messlatte, die die Bundeswehr nach den Einsatz-Erfahrungen mit
der Heron 1 auflegen wird, dürfte deutlich niedriger sein als wenn
sich das Verteidigungsministerium für das US-Modell Predator B entschieden
hätte.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für
Transatlantische Sicherheit - BITS
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