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Das Gespräch führte Holger Eichele. |
Frankreich droht mit dem Einsatz von Atomwaffen. An wen wendet sich Chirac mit
dieser Botschaft, nur an sein Volk oder tatsächlich an Terror-Regime wie den Iran?
Nassauer: Chiracs Botschaft hat mehrere Adressaten: Der Präsident wendet sich an
die europäischen und transatlantischen Bündnispartner ebenso wie an die französische
Bevölkerung, die das Arsenal schließlich finanzieren muss. Angesprochen fühlen müssen
sich auch der Iran und andere Staaten, die Terroristen unterstützen könnten. Ihnen droht
Chirac ja mit nuklearer Vergeltung.
3,5 Milliarden Euro im Jahr lässt sich Paris die 350 Atomsprengköpfe kosten.
Welchen Nutzen haben sie Frankreich gebracht?
Nassauer: Die Atomwaffen bringen Frankreich nach eigener Einschätzung politisches
Renommee, sie heben die Republik auf Augenhöhe zu den Amerikanern und helfen, den
Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu begründen. Unabhängig von den
USA die Möglichkeit zu nuklearer Abschreckung zu haben, dieses Argument hat seit Ende des
Kalten Krieges in den Augen vieler ebenso an Gewicht verloren wie die Atomwaffen selbst.
Deshalb bemüht sich Chirac, den Waffen wieder eine größere Rolle und damit mehr
Bedeutung zu geben.
Vor Chirac hat bereits US-Präsident Bush punktuelle, konzentrierte Atomangriffe
anstelle der bislang angedrohten massiven Vernichtung in Erwägung gezogen. Wie
wahrscheinlich ist diese Option?
Nassauer: Zwischen den neuen Atomwaffen-Strategien von Bush und Chirac gibt es
Ähnlichkeiten, aber auch gewaltige Unterschiede. Zwar reden beide Präsidenten davon,
dass Atomwaffen eine Rolle bei der Bekämpfung und Abschreckung von Terroristen spielen
könnten. Damit geraten auch Staaten ins Visier, die selbst keine Atomwaffen besitzen. Der
Unterschied jedoch ist, dass Frankreich die Waffen als Mittel der Vergeltung betrachtet,
sie also primär der Abschreckung dienen. Die USA dagegen schließen nicht aus, ihre
Waffen auch präventiv und zur Kriegsführung einzusetzen.
Ist diese Technik denn ausgereift?
Nassauer: Das amerikanische Atomwaffen-Potenzial umfasst viele verschiedene
Trägersysteme und Sprengkopftypen. Die französischen Streitkräfte dagegen haben ein
vergleichsweise kleines Arsenal mit relativ großen Sprengköpfen. Zum Vergleich: Die
kleinste Atomwaffe Frankreichs ist mehr als achtmal so stark wie die Bombe von Hiroshima.
Deshalb kann Paris nicht ernsthaft oder glaubwürdig mit fast nebenwirkungsfreien,
begrenzten Atomschlägen drohen. Washington glaubt, das schon eher zu können.
Wie wirkt sich Chiracs Vorstoß auf die internationale Abrüstungspolitik aus?
Nassauer: Sehr negativ. Chirac deutet an, dass Frankreich noch lange im Besitz von
Atomwaffen sein wird und ihnen künftig eher eine größere Rolle beimessen wird. Alle
kleineren Staaten, die mit Atomwaffen liebäugeln, müssen sich durch Chiracs Worte
bestätigt fühlen. Für Staaten, die atomare Abrüstung wollen, ist die Erklärung ein
Affront. Warum sollen sie auf ewig auf Atomwaffen verzichten, wenn die Nuklearmächte die
Abrüstung auf den St.-Nimmerleinstag verschieben?
Der Konflikt um das iranische Atomprogramm droht zu eskalieren. Wie weit ist der
Iran von der Entwicklung einer einsatzfähigen Atombombe entfernt?
Nassauer: Nach Erkenntnissen von Geheimdiensten und Wissenschaftlern ist der
Iran ohne ausländische Hilfe noch mindestens fünf, wenn nicht zehn Jahre von der
Fähigkeit entfernt, eine Bombe zu bauen. Diese Zeit gilt es zu nutzen, um den Konflikt
auf diplomatischem Wege zu entschärfen. Chiracs Drohungen sind kontraproduktiv.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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