Streitkräfte und Strategien - NDR info
13. Januar 2007


Schwieriger Lufttransport an den Hindukusch
Von Schützenpanzern und teuren C-17-Transportflugzeugen

Gastbeitrag von Andreas Dawidzinski

Als vor sechs Jahren die ersten Bundeswehr-Soldaten nach Afghanistan aufbrachen, war dies eine lange und beschwerliche Reise. Denn das mehr als 30 Jahre alte Transall-Transportflugzeug ist für strategische Entfernungen nicht ausgelegt. Mehrere Zwischenlandungen waren notwendig. Man war damals zudem auf das Wohlwollen der Bündnispartner angewiesen. Und weil einer der eingesprungenen NATO-Partner plötzlich seine Flugzeuge selbst brauchte, musste das deutsche Kontingent auf dem Weg nach Kabul einen längeren Zwangsaufenthalt in der Türkei einlegen.

Auslandseinsätze sind inzwischen längst die Hauptaufgabe der Bundeswehr. Und weil der Lufttransport weiterhin ein Problembereich ist, hat das Verteidigungsministerium versucht, Abhilfe zu schaffen. 60 A400M-Transportflugzeuge sind bestellt worden. Sie sollen die betagten Transall-Transporter ablösen. Doch bis es soweit ist, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Die Bundeswehr hat in der Vergangenheit regelmäßig russisch-ukrainische Großraumtransporter vom Typ Antonov gechartert. Die An-124 ist das größte Transportflugzeug der Welt. Sie kann bis zu 120 Tonnen Fracht transportieren, und zwar über mehrere tausend Kilometer. Zum Vergleich: die maximale Nutzlast der deutschen Transall beträgt 12 Tonnen. Um sich den Zugriff auf die russisch-ukrainischen Maschinen zu sichern, haben im vergangenen Jahr mehrere NATO-Staaten unter deutscher Führung nach langen Verhandlungen SALIS aus der Taufe gehoben. Die Abkürzung SALIS steht für "Strategic Airlift Interim Solution", also für "Übergangslösung Strategischer Lufttransport". Danach hat sich die eigens zu diesem Zweck gegründete Firma Ruslan Salis verpflichtet, bei Bedarf innerhalb von 72 Stunden zwei AN-124 bereitzustellen. Stationiert sind die Transportflugzeuge in Leipzig. Deutschland kann im Rahmen dieses Abkommens jährlich mindestens 750 Flugstunden abrufen. Dafür zahlt die Bundeswehr insgesamt 20 Mio Euro. Die vergleichsweise kostengünstige SALIS-Initiative war der amerikanischen Rüstungslobby allerdings von Anfang an ein Dorn im Auge. Zu gerne hätten sie die C-17-Großraum-Transporter von Boeing ins Geschäft gebracht. Das wäre allerdings, so haben die Berechnungen von SALIS-Federführer Deutschland ergeben, die eindeutig teurere Lösung gewesen.

Doch so schnell gibt die C-17-Lobby nicht auf. Zusätzlich zur SALIS-Initiative haben mehrere NATO-Staaten erst kürzlich beschlossen, eine C-17-Flotte aufzubauen. Die Maschinen sollen nicht gechartert oder geleast, sondern gekauft werden. Offiziell wird zwar von einem zusätzlichen strategischen Transportbedarf und einer Ergänzung zu den vorhanden Antonov-Kapazitäten für die NATO gesprochen. Doch vieles spricht dafür, dass mit der geplanten C-17-Flotte letztlich Russen und Ukrainern das Wasser im Transportgeschäft abgegraben werden soll.

Der in dieser Woche abgeschlossene Transport deutscher Marder-Schützenpanzer an den Hindukusch könnte dieser Entwicklung Vorschub geleistet haben. Denn die vier knapp 40 Tonnen schweren Marder und ein ebenfalls verlegter Bergepanzer wurden nicht im Rahmen des SALIS-Vertrages mit Antonov-Maschinen nach Afghanistan gebracht, sondern ausgerechnet mit amerikanischen C-17-Transportern.

Die Verlegung der Kettenfahrzeuge war schon vor geraumer Zeit angekündigt worden. Angesichts der sich in Afghanistan verschlechternden Lage soll mit dem Aufbau einer gepanzerten Reserve der Schutz der deutschen Soldaten verbessert werden. Im September hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums eine zeitnahe Entscheidung angekündigt. Wenig später war zu hören, die Entscheidung sei zwar gefallen, offen sei aber noch die Umsetzung des Beschlusses. Schließlich hieß es, die Schützenpanzer würden zwischen Weihnachten und Neujahr nach Afghanistan geflogen. Es war allerdings ein Transport mit Hindernissen. Der C-17-Flug mit dem Bergepanzer von Ramstein aus musste zweimal abgesagt werden – aus technischen Gründen. Der Bergepanzer traf schließlich mit einwöchiger Verspätung in Mazar-i-Scharif ein. Aufgrund des schlechten Wetters hatte das Transportflugzeug zuvor noch in einem Nachbarstaat zwischenlanden müssen. Es folgten vier weitere Flüge mit den Marder-Schützenpanzern.

Warum nun der Transport der Panzer mit der teuren C-17 und nicht mit der günstigen Antonov? Die offizielle Begründung lautet, die große Antonov habe für Mazar-i-Scharif keine Landelaubnis. Die Piste könnte durch die schwere Maschine beschädigt werden, so die Befürchtung. Bei der nicht wesentlich leichteren C-17 hat man allerdings keine Bedenken. Kenner räumen zudem ein, unter militärischen Bedingungen sei eine Landung der Antonov in Mazar-i-Scharif problemlos möglich.

Planungen, die Startbahn so auszubauen, dass nicht nur C-17, sondern auch Antonov-Großraumflugzeuge ganz offiziell in Mazar-i-Scharif landen können, gibt es nicht. Dabei ist Camp Marmal schon jetzt das größte Lager der Bundeswehr außerhalb Deutschlands. Und absehbar ist, dass die deutschen Streitkräfte über Jahre dort bleiben werden. Nicht ausgeschlossen, dass bei einer sich verschlechternden militärischen Lage demnächst weitere Kettenfahrzeuge oder anderes Großgerät eingeflogen werden müssen. Deutschland hat den Wiederaufbau des Flughafens von Mazar-i-Scharif mit rund 53 Mio. Euro unterstützt. Die Baumaßnahmen dienten allerdings nicht dazu, die Flugpiste auch für Großraumflugzeuge herzurichten. Vorrang hatten andere Projekte. So wird an diesem Wochenende in Mazar-i-Scharif eine Forward Support Base eingeweiht - eine Art Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Flugfeldes für bis zu sechs Transall-Transportflugzeuge und CH-53 Hubschrauber. Diese Maschinen können künftig durch den Bau von zwei sogenannten Taxiways im geschützten Feldlager abgestellt werden. Übrigens könnte die Fläche auch von den von der NATO- angeforderten Tornado-Aufklärungsflugzeugen genutzt werden.

Die Antonov-Großraumflugzeuge können also mit Ausnahme von Kabul keine deutschen Stützpunkte in Afghanistan direkt anfliegen. Und wie es aussieht, gibt es von Seiten der Bundeswehr keinerlei Bestrebungen, diesen Zustand zu ändern. Für Nordafghanistan bestimmte schwere Militärgüter fliegt die Antonov ins benachbarte usbekische Termez sowie nach Duschanbe in Tadschikistan. Anders als die amerikanischen C-17 könnten die russisch-ukrainischen Maschinen pro Flug gleich zwei Marder-Schützenpanzer aufnehmen. Der Transport von Deutschland in die afghanischen Nachbarstaaten sowie der anschließende Weitertransport mit den amerikanischen C-17 wäre möglicherweise die schnellere und vor allem kostengünstigere Lösung für die Bundeswehr gewesen.

Die Kanadier haben es im vergangenen Jahr vorgemacht. Laut Salis-Vertrag stehen Ihnen jährlich mindestens 125 Flugstunden mit den Antonov-Maschinen zu. Im Herbst verlegten die Kanadier kurzfristig Leopard-Kampfpanzer nach Afghanistan. Antonov-Großraumflugzeuge transportierten die Kolosse fast 10.000 Kilometer bis nach Kirgisistan. Von dort wurden sie dann mit amerikanischen C-17-Transportern nach Afghanistan weitergeflogen. Eine Vorgehensweise, die von der Bundeswehr offenbar verworfen wurde.

So wartet das Verteidigungsministerium jetzt auf die Rechnung der US-Airforce für die C-17-Transportflüge. Konkrete Angaben zu den Kosten will man in Berlin allerdings nicht machen. Doch eins ist schon jetzt klar: Der Steuerzahler wird tief in die Tasche greifen müssen. Denn Transporte nach Kabul mit dem russisch-ukrainischen Flieger kosten rund 15.000 Euro pro Flugstunde – bei fast doppelter Nutzlast gegenüber der C-17. Die Flugstunde der amerikanischen Maschine wird vor diesem Hintergrund nach Expertenangaben ein Mehrfaches kosten. Das ist offenbar der Hauptgrund, warum sich das Verteidigungsministerium bei der Kostenfrage lieber in Schweigen hüllt.


 

Andreas Dawidzinski ist freier Journalist.