Schwieriger Lufttransport an den Hindukusch
Von Schützenpanzern und teuren C-17-Transportflugzeugen
Gastbeitrag von Andreas Dawidzinski
Als vor sechs Jahren die ersten Bundeswehr-Soldaten nach Afghanistan aufbrachen, war
dies eine lange und beschwerliche Reise. Denn das mehr als 30 Jahre alte
Transall-Transportflugzeug ist für strategische Entfernungen nicht ausgelegt. Mehrere
Zwischenlandungen waren notwendig. Man war damals zudem auf das Wohlwollen der
Bündnispartner angewiesen. Und weil einer der eingesprungenen NATO-Partner plötzlich
seine Flugzeuge selbst brauchte, musste das deutsche Kontingent auf dem Weg nach Kabul
einen längeren Zwangsaufenthalt in der Türkei einlegen.
Auslandseinsätze sind inzwischen längst die Hauptaufgabe der Bundeswehr. Und weil der
Lufttransport weiterhin ein Problembereich ist, hat das Verteidigungsministerium versucht,
Abhilfe zu schaffen. 60 A400M-Transportflugzeuge sind bestellt worden. Sie sollen die
betagten Transall-Transporter ablösen. Doch bis es soweit ist, werden noch einige Jahre
ins Land gehen. Die Bundeswehr hat in der Vergangenheit regelmäßig russisch-ukrainische
Großraumtransporter vom Typ Antonov gechartert. Die An-124 ist das größte
Transportflugzeug der Welt. Sie kann bis zu 120 Tonnen Fracht transportieren, und zwar
über mehrere tausend Kilometer. Zum Vergleich: die maximale Nutzlast der deutschen
Transall beträgt 12 Tonnen. Um sich den Zugriff auf die russisch-ukrainischen Maschinen
zu sichern, haben im vergangenen Jahr mehrere NATO-Staaten unter deutscher Führung nach
langen Verhandlungen SALIS aus der Taufe gehoben. Die Abkürzung SALIS steht für
"Strategic Airlift Interim Solution", also für "Übergangslösung
Strategischer Lufttransport". Danach hat sich die eigens zu diesem Zweck gegründete
Firma Ruslan Salis verpflichtet, bei Bedarf innerhalb von 72 Stunden zwei AN-124
bereitzustellen. Stationiert sind die Transportflugzeuge in Leipzig. Deutschland kann im
Rahmen dieses Abkommens jährlich mindestens 750 Flugstunden abrufen. Dafür zahlt die
Bundeswehr insgesamt 20 Mio Euro. Die vergleichsweise kostengünstige SALIS-Initiative war
der amerikanischen Rüstungslobby allerdings von Anfang an ein Dorn im Auge. Zu gerne
hätten sie die C-17-Großraum-Transporter von Boeing ins Geschäft gebracht. Das wäre
allerdings, so haben die Berechnungen von SALIS-Federführer Deutschland ergeben, die
eindeutig teurere Lösung gewesen.
Doch so schnell gibt die C-17-Lobby nicht auf. Zusätzlich zur SALIS-Initiative haben
mehrere NATO-Staaten erst kürzlich beschlossen, eine C-17-Flotte aufzubauen. Die
Maschinen sollen nicht gechartert oder geleast, sondern gekauft werden. Offiziell wird
zwar von einem zusätzlichen strategischen Transportbedarf und einer Ergänzung zu den
vorhanden Antonov-Kapazitäten für die NATO gesprochen. Doch vieles spricht dafür, dass
mit der geplanten C-17-Flotte letztlich Russen und Ukrainern das Wasser im
Transportgeschäft abgegraben werden soll.
Der in dieser Woche abgeschlossene Transport deutscher Marder-Schützenpanzer an den
Hindukusch könnte dieser Entwicklung Vorschub geleistet haben. Denn die vier knapp 40
Tonnen schweren Marder und ein ebenfalls verlegter Bergepanzer wurden nicht im Rahmen des
SALIS-Vertrages mit Antonov-Maschinen nach Afghanistan gebracht, sondern ausgerechnet mit
amerikanischen C-17-Transportern.
Die Verlegung der Kettenfahrzeuge war schon vor geraumer Zeit angekündigt worden.
Angesichts der sich in Afghanistan verschlechternden Lage soll mit dem Aufbau einer
gepanzerten Reserve der Schutz der deutschen Soldaten verbessert werden. Im September
hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums eine zeitnahe Entscheidung angekündigt.
Wenig später war zu hören, die Entscheidung sei zwar gefallen, offen sei aber noch die
Umsetzung des Beschlusses. Schließlich hieß es, die Schützenpanzer würden zwischen
Weihnachten und Neujahr nach Afghanistan geflogen. Es war allerdings ein Transport mit
Hindernissen. Der C-17-Flug mit dem Bergepanzer von Ramstein aus musste zweimal abgesagt
werden aus technischen Gründen. Der Bergepanzer traf schließlich mit einwöchiger
Verspätung in Mazar-i-Scharif ein. Aufgrund des schlechten Wetters hatte das
Transportflugzeug zuvor noch in einem Nachbarstaat zwischenlanden müssen. Es folgten vier
weitere Flüge mit den Marder-Schützenpanzern.
Warum nun der Transport der Panzer mit der teuren C-17 und nicht mit der günstigen
Antonov? Die offizielle Begründung lautet, die große Antonov habe für Mazar-i-Scharif
keine Landelaubnis. Die Piste könnte durch die schwere Maschine beschädigt werden, so
die Befürchtung. Bei der nicht wesentlich leichteren C-17 hat man allerdings keine
Bedenken. Kenner räumen zudem ein, unter militärischen Bedingungen sei eine Landung der
Antonov in Mazar-i-Scharif problemlos möglich.
Planungen, die Startbahn so auszubauen, dass nicht nur C-17, sondern auch
Antonov-Großraumflugzeuge ganz offiziell in Mazar-i-Scharif landen können, gibt es
nicht. Dabei ist Camp Marmal schon jetzt das größte Lager der Bundeswehr außerhalb
Deutschlands. Und absehbar ist, dass die deutschen Streitkräfte über Jahre dort bleiben
werden. Nicht ausgeschlossen, dass bei einer sich verschlechternden militärischen Lage
demnächst weitere Kettenfahrzeuge oder anderes Großgerät eingeflogen werden müssen.
Deutschland hat den Wiederaufbau des Flughafens von Mazar-i-Scharif mit rund 53 Mio. Euro
unterstützt. Die Baumaßnahmen dienten allerdings nicht dazu, die Flugpiste auch für
Großraumflugzeuge herzurichten. Vorrang hatten andere Projekte. So wird an diesem
Wochenende in Mazar-i-Scharif eine Forward Support Base eingeweiht - eine Art Parkplatz in
unmittelbarer Nähe des Flugfeldes für bis zu sechs Transall-Transportflugzeuge und CH-53
Hubschrauber. Diese Maschinen können künftig durch den Bau von zwei sogenannten Taxiways
im geschützten Feldlager abgestellt werden. Übrigens könnte die Fläche auch von den
von der NATO- angeforderten Tornado-Aufklärungsflugzeugen genutzt werden.
Die Antonov-Großraumflugzeuge können also mit Ausnahme von Kabul keine deutschen
Stützpunkte in Afghanistan direkt anfliegen. Und wie es aussieht, gibt es von Seiten der
Bundeswehr keinerlei Bestrebungen, diesen Zustand zu ändern. Für Nordafghanistan
bestimmte schwere Militärgüter fliegt die Antonov ins benachbarte usbekische Termez
sowie nach Duschanbe in Tadschikistan. Anders als die amerikanischen C-17 könnten die
russisch-ukrainischen Maschinen pro Flug gleich zwei Marder-Schützenpanzer aufnehmen. Der
Transport von Deutschland in die afghanischen Nachbarstaaten sowie der anschließende
Weitertransport mit den amerikanischen C-17 wäre möglicherweise die schnellere und vor
allem kostengünstigere Lösung für die Bundeswehr gewesen.
Die Kanadier haben es im vergangenen Jahr vorgemacht. Laut Salis-Vertrag stehen Ihnen
jährlich mindestens 125 Flugstunden mit den Antonov-Maschinen zu. Im Herbst verlegten die
Kanadier kurzfristig Leopard-Kampfpanzer nach Afghanistan. Antonov-Großraumflugzeuge
transportierten die Kolosse fast 10.000 Kilometer bis nach Kirgisistan. Von dort wurden
sie dann mit amerikanischen C-17-Transportern nach Afghanistan weitergeflogen. Eine
Vorgehensweise, die von der Bundeswehr offenbar verworfen wurde.
So wartet das Verteidigungsministerium jetzt auf die Rechnung der US-Airforce für die
C-17-Transportflüge. Konkrete Angaben zu den Kosten will man in Berlin allerdings nicht
machen. Doch eins ist schon jetzt klar: Der Steuerzahler wird tief in die Tasche greifen
müssen. Denn Transporte nach Kabul mit dem russisch-ukrainischen Flieger kosten rund
15.000 Euro pro Flugstunde bei fast doppelter Nutzlast gegenüber der C-17. Die
Flugstunde der amerikanischen Maschine wird vor diesem Hintergrund nach Expertenangaben
ein Mehrfaches kosten. Das ist offenbar der Hauptgrund, warum sich das
Verteidigungsministerium bei der Kostenfrage lieber in Schweigen hüllt.
Andreas Dawidzinski ist freier Journalist.
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