Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
30. Juni 2012


Gorch Fock-Reparatur – Fass ohne Boden?

Andreas Flocken

Das Segelschulschiff Gorch Fock hat vor rund eineinhalb Jahren durch den tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Das Unglück geschah auf einem langen Törn, bei dem wenig später auch das berüchtigte Kap Hoorn umrundet wurde. Diese Fern-Reise ist der Dreimast-Bark offenbar nicht gut bekommen. Im vergangenen Jahr wurden bei der Gorch Fock schwere Rostschäden entdeckt. Seitdem wird das Schiff repariert. Doch wann sind die Arbeiten abgeschlossen? Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Kossendey:

O-Ton Kossendey
„Nach jetzigen Informationen ist die Reparatur in einem Zustand, dass wir im September damit rechnen können, dass die Gorch Fock übergeben wird. Dann werden einige Trainingsfahrten gemacht, einige Messungen durchgeführt, und dann hoffen wir, dass wir Anfang Januar die Gorch Fock wieder einsatzbereit für die Marine haben.“

Rainer Kersten vom Bund der Steuerzahler in Kiel beobachtet schon seit längerem die Entwicklung und wundert sich, warum die Schäden nicht frühzeitig entdeckt worden sind:

O-Ton Kersten
„Für uns ist das das größte Rätsel der Gorch Fock im Moment überhaupt. Vor der Weltumsegelung ist das Schiff im Jahr 2010 komplett generalüberholt worden. Schon ein Jahr später hat man eklatante Mängel, die auch Sicherheitsauswirkungen haben, festgestellt, und nun muss man erkennen, dass das Schiff offenbar im Rumpf vollkommen marode ist. Wir können uns nicht vorstellen, wie man innerhalb so kurzer Zeit zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.“

Mit der Reparatur ist die Elsflether Werft AG in Niedersachsen beauftragt worden. Dort kümmert man sich inzwischen zum 7. Mal um die Gorch Fock. Auch die Generalüberholung war in Elsfleht durchgeführt worden. Von den gravierenden Mängeln will man dort nichts bemerkt haben. Zu Überlegungen, die Werft möglicherweise in Regress zu nehmen, sagt Staatssekretär Thomas Kossendey:

O-Ton Kossendey
„Da prüft die Marine, was man machen kann, wie man’s machen kann. Bloß im Augenblick gibt es bei uns zumindest keine handfesten Indizien, die eine Schadensersatzforderung begründen könnten.“

Dazu Rainer Kersten vom Bund der Steuerzahler:

O-Ton Kersten
„Daraus kann man ja nur den Schluss ziehen, dass dort keine Fehler gemacht worden sind. Dann müssen die Fehler bei der Marineführung oder beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung liegen.“

Welche eigenen Fehler und Versäumnisse es gegeben haben könnte, darüber aber schweigt sich die Bundeswehr aus. Das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung spricht stattdessen allgemein von unterschiedlichen Ursachen, und betont, das Alter der Gorch Fock dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Das Schiff ist 53 Jahre alt.

Unklar ist auch die Höhe der Reparaturkosten. Die steigen nämlich stetig an. Zunächst wurden sie auf 500.000 Euro taxiert, dann war von 2 Mio. die Rede, und inzwischen heißt es, die Kosten der Instandsetzung belaufen sich voraussichtlich auf ca. 8 Mio. Euro. Für Rainer Kersten vom Bund der Steuerzahler ist damit aber das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht:

O-Ton Kersten
„Offenbar steigen die Kosten mit jeder weiteren Woche, in der dort gearbeitet wird. Bislang wird offiziell von rund neun Millionen Euro gesprochen. Wir ge-hen aber davon aus, dass nach Abschluss der Sanierungsarbeiten ein zweistelliger Millionenbetrag herauskommen kann.“

Zum Vergleich: Die Baukosten der Gorch Fock haben 1958 8,5 Mio. D-Mark betragen. Inzwischen ist ein Vielfaches der Summe in das Schiff gesteckt worden – die gegenwärtige Reparatur wird die mit Abstand teuerste in der bisherigen Geschichte der Gorch Fock. Der Kauf eines neuen Segelschiffes wäre da möglicherweise eine kluge Entscheidung gewesen. Doch zu diesem Schritt konnte sich die Marineführung offenbar nicht durchringen. So aber droht die Gorch Fock jetzt ein Fass ohne Boden zu werden. Denn die nächste altersbedingte Reparatur kommt bestimmt.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.