Der Irak-Feldzug vor fünf Jahren
Außenpolitisches Desaster, schlimmer als Vietnam?
Andreas Flocken
In diesem Monat jährt sich der Angriff der USA auf den Irak zum fünften Mal. Dieser
Feldzug war in vielerlei Hinsicht ein großer Fehler, wie inzwischen selbst von ehemaligen
Befürwortern des Krieges eingeräumt wird. Die frühere Außenministerin Madeleine
Albright spricht sogar von einer Katastrophe, schlimmer als Vietnam. Begründet wurde der
Feldzug mit Massenvernichtungswaffen des Irak mit Waffen, die nicht existierten.
Der Krieg entzweite zudem die NATO, auch weil der Angriff ohne UN-Mandat erfolgte. Er war
daher völkerrechtswidrig.
Das eigentliche Ziel der USA war ein Regime-Wechsel, der Sturz von Saddam Hussein. Doch
der Preis, den die USA dafür bezahlen mussten, ist hoch. Der Irak-Krieg hat Amerikas
Glaubwürdigkeit in der Welt schwer erschüttert. Vor allem in den islamischen Ländern
wurden durch den Feldzug neue Feindbilder aufgebaut, erinnert sei nur an den Folterskandal
von Abu Ghraib. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus wurde geschwächt. Dem
Terrorismus wurde ein neuer Nährboden gegeben. Der Irak hat sich schnell zu einem
Tummelplatz für Terroristen aus der ganzen Welt entwickelt. Vor dem Feldzug war das Land
kein Sammelbecken von Terroristen.
Der Irak sollte ein Leuchtturm-Projekt werden und der ganzen Region Impulse zur
Demokratisierung geben. Doch von diesen Vorstellungen der Neokonservativen hat sich die
Bush-Administration inzwischen stillschweigend verabschiedet. Denn es wurden viele Fehler
gemacht, auch bei der Militäraktion selbst. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen im
Irak, General Ricardo Sanchez, hat der Führung in Washington im Herbst deshalb schwere
Vorwürfe gemacht - allerdings erst nach seiner Pensionierung. Amerika erlebe einen
Albtraum im Irak. Verantwortlich für das katastrophale Versagen sei die gesamte Führung
der USA. Das amerikanische Volk müsse sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Der frühere
Drei-Sterne-General:
"The administration, Congress and the entire interagency, especially the
State Department, must shoulder the responsibility for this catastrophic failure, and the
American people must hold them accountable."
Sanchez-Kritik an der Regierung wird von vielen hohen Offizieren geteilt. Einer der
zentralen Vorwürfe ist, Pentagonchef Rumsfeld habe damals für den Krieg viel zu wenig
Soldaten eingesetzt. Vor der Amtsübernahme von Präsident Bush gingen die
Militärplanungen davon aus, dass für einen möglichen Irak-Krieg mindestens 380.000
Soldaten benötigt würden. Für Donald Rumsfeld waren das viel zu viel Soldaten. Er
setzte vor allem auf Luftschläge und Spezialtruppen. Der Militärexperte Michael Gordon
von der NEW YORK TIMES:
"Rumsfeld bestand von Anfang an auf einer kleinen Streitmacht. Sie sollte
sehr beweglich sein und sich die neuesten Militärtechnologien zu Nutze machen. Das waren
für ihn die Lehren aus Afghanistan. Diese Streitmacht war ausreichend, um die
Republikanischen Garden zu besiegen und das Regime zu stürzen."
Doch mit etwas mehr als 100.000 Soldaten konnte man nicht das ganze Land stabilisieren,
so sieht es nicht nur der Militärexperte Michael Gordon. Ein weiterer Fehler sei die
Entscheidung gewesen, die irakische Armee aufzulösen. Die Folge: Ein Sicherheitsvakuum,
das die Aufständischen für sich nutzen konnten.
"There were two critical mistakes that are enable the insurgency to grow
from a military perspective. One: Insufficient number of U.S. Forces. And two: Ambassador
Bremers decision to dissolve the Iraqi army. This created a huge security vacuum and gave
the U.S. enemy a chance to get back in the game."
Inzwischen sieht die Bush-Administration etwas Licht am Ende des Tunnels. Die
Anschläge im Irak sind in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Ein Ergebnis der im
vergangenen Jahr angekündigten Truppenverstärkungen, heißt es in Washington. Doch auch
das ist nur die halbe Wahrheit. Hauptgrund für diese Entwicklung ist nämlich, dass
sunnitische Stämme sich gegen Al Qaida-Terroristen erhoben haben. Außerdem dauert der
vom schiitischen Prediger Al-Sadr gegenüber den US-Truppen verkündete Waffenstillstand
weiter an.
Zu großem Optimismus gibt es daher wenig Anlass. Wohl auch deshalb hat das Pentagon
entschieden, nun doch nicht alle 30.000 zusätzlich in den Irak geschickten Soldaten bis
zum Sommer wieder abzuziehen. Das hatte Washington zunächst angekündigt. Nun also die
Kehrtwende. Damit werden auf absehbare Zeit rund 140.000 US-Soldaten im Irak bleiben. Vor
diesem Hintergrund ist die im Januar vergangenen Jahres beschlossene Truppenverstärkung
ein Misserfolg. Schließlich sollte sie die Voraussetzungen für den Abzug von weiteren
Soldaten schaffen. Doch der paradoxe Ansatz, mehr Truppen zu stationieren, um auf diese
Weise den Abzug der Soldaten zu ermöglichen, ist vorerst gescheitert.
Im südirakischen Basra ist die Lage nach dem Rückzug der Briten inzwischen weitgehend
außer Kontrolle geraten. Die Stadt wird von rivalisierenden schiitischen Banden
beherrscht. Der iranische Einfluss in dieser Region wächst, so ist zu hören. Der
eigentliche Gewinner des Irak-Krieges ist nicht Washington sondern Teheran ohne
eigenes zu Tun, allein durch außenpolitische und militärische Fehler der
US-Administration. Ahmadinedschad hat seinen historischen Besuch in der vergangenen Woche
in Bagdad sichtlich genossen. Die Blitz-Visiten von Präsident Bush und anderer
US-Regierungsmitglieder werden aus Sicherheitsgründen nie vorher bekannt gegeben. Der
Irak-Besuch des iranischen Staatspräsidenten war dagegen schon Wochen zuvor angekündigt
worden. Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins Teherans und der neuen Machtverhältnisse in
der Region.
Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung
"Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.
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