Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
08. März 2008


Der Irak-Feldzug vor fünf Jahren

Außenpolitisches Desaster, schlimmer als Vietnam?

Andreas Flocken

In diesem Monat jährt sich der Angriff der USA auf den Irak zum fünften Mal. Dieser Feldzug war in vielerlei Hinsicht ein großer Fehler, wie inzwischen selbst von ehemaligen Befürwortern des Krieges eingeräumt wird. Die frühere Außenministerin Madeleine Albright spricht sogar von einer Katastrophe, schlimmer als Vietnam. Begründet wurde der Feldzug mit Massenvernichtungswaffen des Irak – mit Waffen, die nicht existierten. Der Krieg entzweite zudem die NATO, auch weil der Angriff ohne UN-Mandat erfolgte. Er war daher völkerrechtswidrig.

Das eigentliche Ziel der USA war ein Regime-Wechsel, der Sturz von Saddam Hussein. Doch der Preis, den die USA dafür bezahlen mussten, ist hoch. Der Irak-Krieg hat Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt schwer erschüttert. Vor allem in den islamischen Ländern wurden durch den Feldzug neue Feindbilder aufgebaut, erinnert sei nur an den Folterskandal von Abu Ghraib. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus wurde geschwächt. Dem Terrorismus wurde ein neuer Nährboden gegeben. Der Irak hat sich schnell zu einem Tummelplatz für Terroristen aus der ganzen Welt entwickelt. Vor dem Feldzug war das Land kein Sammelbecken von Terroristen.

Der Irak sollte ein Leuchtturm-Projekt werden und der ganzen Region Impulse zur Demokratisierung geben. Doch von diesen Vorstellungen der Neokonservativen hat sich die Bush-Administration inzwischen stillschweigend verabschiedet. Denn es wurden viele Fehler gemacht, auch bei der Militäraktion selbst. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen im Irak, General Ricardo Sanchez, hat der Führung in Washington im Herbst deshalb schwere Vorwürfe gemacht - allerdings erst nach seiner Pensionierung. Amerika erlebe einen Albtraum im Irak. Verantwortlich für das katastrophale Versagen sei die gesamte Führung der USA. Das amerikanische Volk müsse sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Der frühere Drei-Sterne-General:

"The administration, Congress and the entire interagency, especially the State Department, must shoulder the responsibility for this catastrophic failure, and the American people must hold them accountable."

Sanchez-Kritik an der Regierung wird von vielen hohen Offizieren geteilt. Einer der zentralen Vorwürfe ist, Pentagonchef Rumsfeld habe damals für den Krieg viel zu wenig Soldaten eingesetzt. Vor der Amtsübernahme von Präsident Bush gingen die Militärplanungen davon aus, dass für einen möglichen Irak-Krieg mindestens 380.000 Soldaten benötigt würden. Für Donald Rumsfeld waren das viel zu viel Soldaten. Er setzte vor allem auf Luftschläge und Spezialtruppen. Der Militärexperte Michael Gordon von der NEW YORK TIMES:

"Rumsfeld bestand von Anfang an auf einer kleinen Streitmacht. Sie sollte sehr beweglich sein und sich die neuesten Militärtechnologien zu Nutze machen. Das waren für ihn die Lehren aus Afghanistan. Diese Streitmacht war ausreichend, um die Republikanischen Garden zu besiegen und das Regime zu stürzen."

Doch mit etwas mehr als 100.000 Soldaten konnte man nicht das ganze Land stabilisieren, so sieht es nicht nur der Militärexperte Michael Gordon. Ein weiterer Fehler sei die Entscheidung gewesen, die irakische Armee aufzulösen. Die Folge: Ein Sicherheitsvakuum, das die Aufständischen für sich nutzen konnten.

"There were two critical mistakes that are enable the insurgency to grow from a military perspective. One: Insufficient number of U.S. Forces. And two: Ambassador Bremers decision to dissolve the Iraqi army. This created a huge security vacuum and gave the U.S. enemy a chance to get back in the game."

Inzwischen sieht die Bush-Administration etwas Licht am Ende des Tunnels. Die Anschläge im Irak sind in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Ein Ergebnis der im vergangenen Jahr angekündigten Truppenverstärkungen, heißt es in Washington. Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit. Hauptgrund für diese Entwicklung ist nämlich, dass sunnitische Stämme sich gegen Al Qaida-Terroristen erhoben haben. Außerdem dauert der vom schiitischen Prediger Al-Sadr gegenüber den US-Truppen verkündete Waffenstillstand weiter an.

Zu großem Optimismus gibt es daher wenig Anlass. Wohl auch deshalb hat das Pentagon entschieden, nun doch nicht alle 30.000 zusätzlich in den Irak geschickten Soldaten bis zum Sommer wieder abzuziehen. Das hatte Washington zunächst angekündigt. Nun also die Kehrtwende. Damit werden auf absehbare Zeit rund 140.000 US-Soldaten im Irak bleiben. Vor diesem Hintergrund ist die im Januar vergangenen Jahres beschlossene Truppenverstärkung ein Misserfolg. Schließlich sollte sie die Voraussetzungen für den Abzug von weiteren Soldaten schaffen. Doch der paradoxe Ansatz, mehr Truppen zu stationieren, um auf diese Weise den Abzug der Soldaten zu ermöglichen, ist vorerst gescheitert.

Im südirakischen Basra ist die Lage nach dem Rückzug der Briten inzwischen weitgehend außer Kontrolle geraten. Die Stadt wird von rivalisierenden schiitischen Banden beherrscht. Der iranische Einfluss in dieser Region wächst, so ist zu hören. Der eigentliche Gewinner des Irak-Krieges ist nicht Washington sondern Teheran – ohne eigenes zu Tun, allein durch außenpolitische und militärische Fehler der US-Administration. Ahmadinedschad hat seinen historischen Besuch in der vergangenen Woche in Bagdad sichtlich genossen. Die Blitz-Visiten von Präsident Bush und anderer US-Regierungsmitglieder werden aus Sicherheitsgründen nie vorher bekannt gegeben. Der Irak-Besuch des iranischen Staatspräsidenten war dagegen schon Wochen zuvor angekündigt worden. Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins Teherans und der neuen Machtverhältnisse in der Region.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.