taz, Kommentar
05. August 2002

Berliner Geplänkel
Regierung und Opposition halten Irak-Krieg für Wahlkampfthema

Otfried Nassauer

Mit starken Worten haben Kanzler und Außenminister vor einem Militärschlag gegen den Irak gewarnt. Ihr Gegenspieler aus der Union, Wolfgang Schäuble, konterte ergänzend, der Diplomatie gebühre Vorrang. Zudem könne Deutschland sich der Mitwirkung an einem UN-mandatierten Eingreifen gegen den Irak sowieso kaum entziehen.

Starke Worte - aber wenig Substanz. Bundesregierung und Opposition glauben offensichtlich, das Thema Irak-Krieg sei nichts als ein Wahlkampfelement. Hier die Regierung, die insinuiert, mit ihr gebe es kein Abenteurertum - wohl aber vielleicht mit der Opposition. Dort die Opposition, die sich um Nuancen proamerikanischer zu geben sucht und doch letztlich das Gleiche sagt. Beide glauben, die Entscheidungen über den Waffengang stehe erst nach der Bundestagswahl an. An der Haltung von George W. Bush wird das Geplänkel aus Berlin nichts ändern. Der US-Präsident hat bereits im Januar deutlich gemacht, dass die USA Interventionen zur Bekämpfung des Terrorismus und der Proliferation von Massenvernichtungswaffen für gerechtfertigt halten - und zwar unabhängig von jedem UN-Mandat. Afghanistan war der Präzedenzfall für eine Intervention gegen den Terrorismus - der Irak wird der Präzedenzfall für eine Intervention gegen die Proliferation. Die Frage, wie sich die Bundesregierung verhalten wird, steht an.

Leider traut sich das wahlkampfgeschwächte Berlin nicht, sich verstärkt um eine friedliche Lösung am Golf zu bemühen. So werden wohl einfache Bundesbürger Memoranden für George Bush, Tony Blair und Jacques Chirac vorbereiten müssen: "Sehr geehrte Herren, anbei fünf Vorschläge, wie Sie im Interesse Ihres Landes die Irak-Krise und die wahlkampfbedingte Handlungsunfähigkeit in Deutschland nutzen können, um größtmögliche materielle, militärische und personelle Unterstützung für Ihr Vorgehen zu bekommen - und zugleich die Mitsprache Deutschlands über den Umgang mit dem Regime Saddam Husseins effektiv einzuschränken."

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).