Tagesspiegel.de
09. November 2009


Mit Sprengkraft

von Otfried Nassauer

Washington plant die Modernisierung von Atomwaffen – Berlin wünscht deren Abzug.

US-Präsident Barak Obama wirbt für die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Trotzdem werden die USA im Haushaltsjahr 2010 mindestens 32,5 Millionen US-Dollar investieren, um zu untersuchen, wie atomare Fliegerbomben des Typs B61 modernisiert werden können. Waffen dieses Typs lagern im Rahmen der nuklearen Teilhabe der Nato auch in Büchel beim Jagdbombergeschwader 33 der Luftwaffe. Im Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung dagegen vereinbart, dass „die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen“ nach Gesprächen mit der Nato und den USA abgezogen werden sollen. „Unmittelbar in dieser Amtszeit“, kündigte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an, aber ohne „einseitiges Handeln“, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte. Um die Zukunft der letzten Atomwaffen in Deutschland bahnt sich daher ein Tauziehen mit den USA an.

Die Nachricht war gut versteckt. Auf 394 Seiten einigten sich die Häuser des US-Kongresses auf den Haushalt des Energieministeriums für 2010. Bewilligt wurden in dem Dokument unter anderem 32,5 Millionen US-Dollar für Studien der Phasen 2 und 2A, mit denen untersucht werden soll, wie Hunderte US- Atombomben des Typs B-61 modernisiert werden könnten. Weitere 15 Millionen sollen verfügbar werden, sobald die US-Regierung in ihrem Anfang 2010 fälligen Bericht zur Zukunftsplanung des US- Nuklearwaffenpotentials, dem Nuclear Posture Review, bestätigt, dass eine neue Bombe erforderlich ist.

Verteidigungsminister Robert Gates deutete bereits im September an, die neue Nuklearplanung werde „in ein oder zwei Fällen“ wahrscheinlich ein „neues Waffendesign“ fordern. Fachleute erwarten, dass es dabei um einen neuen Sprengkopf für seegestützte Langstreckenraketen und um eine neue Atombombe gehen wird. Die Bombe bezeichnen die US-Abgeordneten als B-61-Modell 12. Ab 2018 soll sie verfügbar sein. Zunächst sollen allerdings nur die Möglichkeiten zur Modernisierung der nicht-nuklearen Komponenten untersucht werden. Also zum Beispiel eine Erneuerung der Waffenelektronik, damit die Waffe auch von künftigen Kampfflugzeugen wie der nuklearfähigen Version des Joint Strike Fighters (JSF) eingesetzt werden kann. Dieses Flugzeug wollen die USA, aber auch einige Nato-Verbündete einführen. Vor Untersuchungen über die Modernisierung der nuklearen Komponenten wollen die Abgeordneten sich erneut mit dem Vorhaben befassen.

Pentagon und Energieministerium haben den Parlamentariern einen geschickt formulierten Plan vorgestellt. Sie wollen vier alte Typen der B-61 durch einen einzigen neuen ersetzen. Das entspreche der Vision Obamas, eine atomwaffenfreie Welt anzustreben und auf dem Weg dahin, ein „sicheres und effektives Arsenal“ beizubehalten, das „jeden Gegner abschreckt und die Verteidigung unserer Alliierten garantiert“. Verkauft wird das Vorhaben als Programm zur Lebensdauerverlängerung der Bomben. Sie sollen „den B-2-Bomber lebensfähig halten“ so das zuständige Strategische Kommando. Dies bringt die Bundesregierung in Zeitdruck. Sie muss ihr Vorhaben, die Lagerung nuklearer Waffen in Deutschland nach Konsultationen mit Washington und der Nato zu beenden, rasch umsetzen. Gelingt das nicht, könnte Washington sich bereits entschieden haben.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS