SWR 2, Kommentar
21. Oktober 2014


Rüstungsexport: Ein spannendes Urteil

Otfried Nassauer

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Es wird spannend heute in Karlsruhe. Das Verfassungsgericht urteilt über die deutsche Rüstungsexportpolitik. Dabei könnte es um viel mehr als um die eigentliche Klage. Die Grünen Katja Keul und Hans-Christian Ströbele wollen mehr Informationen über die Genehmigungspolitik für Rüstungsexporte erzwingen, weil die Bundesregierung ihnen 2011 partout keine Auskunft über Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien geben wollte. Inzwischen erfahren die Abgeordneten manchmal zwar etwas mehr, aber das Grundproblem besteht weiter: Der Bundestag erfährt zu wenig und zu spät, um bei Exporten mitreden zu können. 

Mit der Zeit wurde das Gerichtsverfahren immer interessanter. Wo die Richter auch nachhakten: die Argumente der der Bundesregierung standen oft auf wackeligen Beinen oder waren so vertrackt, dass wieder neue Fragen entstanden. Bald ging es nicht mehr nur um Geheimhaltung und Informationspflichten, sondern auch um den Endverbleib deutscher Waffen und darum, dass dieser nur auf dem Papier kontrolliert wird. Papier ist jedoch geduldig und so manche Waffe taucht später an Orten auf, wo sie gar nicht hingehört. Es kann deshalb gut sein, dass die Richter über den Kern der Klage hinausgehen und raten oder gar anordnen, dass noch mehr geändert werden muss als nur die Informationspolitik.

Das gilt auch für den interessantesten Punkt, der in diesem Verfahren aufgetaucht ist: Ist es eigentlich zulässig, dass die Bundesregierung über Rüstungsexporte im geheim tagenden Bundessicherheitsrat, dem BSR, entscheidet? Das Grundgesetz sagt, über Kriegswaffenexporte entscheide das ganze Kabinett. Nach dem Ressortprinzip können Entscheidungen  auch an den zuständigen Wirtschaftsminister delegiert werden. All das, was im BSR beraten wurde, ist aber offensichtlich nie delegiert worden. Mit anderen Worten: Vielen Exportentscheidungen des BSRs könnte die Rechtsgrundlage fehlen, weil das ganze Kabinett hätte entscheiden müssen. Auf dieses Problem wiesen zuletzt etliche Experten hin, darunter der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier.

In dem Verfahren tauchten zudem deutliche Hinweise auf, dass der Bundessicherheitsrat für Rüstungsexportentscheidungen gar nicht zuständig ist. Entschieden wurde offenbar dort, weil es dann geheim blieb. Als die Bundesregierung 2013 erstmals die Geschäftsordnung des BSR veröffentlichte, fand sich dort nicht der geringste Hinweis, dass dieses Gremium Waffenexporte genehmigt. Ein solcher Hinweis wurde erst im April dieses Jahres eingefügt, als die Geschäftsordnung geändert werden musste, um den Bundestag über Teile der Genehmigungen informieren zu können. Jetzt gibt es einen indirekten Hinweis. Nach mehr als 50 Jahren, denn solange gibt es diese Geschäftsordnung schon.

Das Gericht könnte also sogar die Genehmigung von Kriegswaffenexporten im Bundessicherheitsrat für verfassungswidrig erklären. Eine schallende Ohrfeige für alle Bundesregierungen. Das Gericht muss das aber nicht tun, denn die Klage der Grünen verlangt keine Entscheidung zu diesem Punkt. Die Richter können also auch schweigen. Oder sagen: Das müsste mal geändert werden. Denn wenn jemand klagt, würden wir es für verfassungswidrig erklären. Deshalb wird es heute spannend.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS