Pax-Christi Impulse
Nr. 26 / März 2013


Zur ethischen Debatte über Rüstungsexporte

von Otfried Nassauer

Rüstungsexportkritikern wird gelegentlich die Frage gestellt, welche Rüstungsexporte sie denn für legitim halten. Die deutsche Politik sei doch bereits viel restriktiver als die anderer Länder. Auf den ersten Blick eine harmlose Frage mit vielen möglichen Antworten. In andere NATO-Länder? An die Partner in der EU? An friedliebende Nationen mit hohen Menschenrechtsstandards? Mit diesen Antworten würde sich der Fragesteller vermutlich zufrieden geben. Er würde allerdings diskutieren wollen, ob nicht noch weitere legitime Empfänger deutsche Rüstungsgüter existieren. „Wo liegt die Grenze zwischen ethisch legitimen und illegitimen Rüstungsexporten?“ So lautet seine eigentliche Frage.

Dass diese Ausgangsfrage einseitig und ein bisschen hinterhältig ist, merkt nur, wer sich fragt, ob die ethische richtige Antwort nicht „keine“ lauten müsste. Wer so antwortet, muss damit rechnen, von seinem Gegenüber als realitätsfremder Idealist gebrandmarkt zu werden, der keine tagespolitisch taugliche Antwort zu geben vermag. Oder er muss masochistisch genug veranlagt sein, um sich auf ein Frage- und Antwortspiel einzulassen, das an die typischen Kriegsdienstverweigerungsverhandlungen der 60er oder 70er Jahre erinnert: „Wie? Sie wollen aus ethischen Gründen nicht töten? Niemals? Was machen Sie denn, wenn Ihre Freundin im Wald vergewaltigt werden soll? Würden Sie sie nicht mit der Waffe verteidigen, die sie zufällig dabeihaben? - „Wie? Sie lehnen alle Rüstungsexporte ab? Soll Deutschland sich etwa weigern, selbst Partnerstaaten zu helfen, damit diese sich verteidigen und ein funktionierendes staatliches Gewaltmonopol garantieren können?“

Die Fragestellung kehrt die Beweislast um. Nicht der, der das ethisch Fragwürdige tun und Waffen exportieren oder sogar an solchen Exporten verdienen will, muss seine Position ethisch begründen, sondern der, der ein solches Handeln ablehnt. Schon dadurch wird die Diskussion und deren Ergebnis präjudiziert.

Das gilt nicht nur für die Diskussion über Rüstungsexporte. Auch wenn über die Legitimität von Interventionen, also Angriffskriegen, diskutiert wird, gibt es solche Fragen: „Wann halten Sie denn ein offensives militärisches Eingreifen für legitim?“ Antwortet man mit der UN-Charta „nie“, so ist man erneut der weltfremde Idealist oder muss sich immer häufiger mit dem Argument der Schutzverantwortung auseinandersetzen, der Responsibility to Protect (R2P). „Menschen, die unter einem die Menschenrechte verletzenden Regime leiden, müssen doch durch die internationale Gemeinschaft geschützt werden – im Extremfall auch mit militärischen Mittel. Sei es, dass man die Opposition bewaffnet oder sei es, dass man militärisch eingreifen muss. Nichts zu tun, verbietet sich doch aus ethischen Gründen.“

Ob Rüstungsexporte, Interventionen oder Kriegsdienstverweigerung – in allen drei Fällen beginnt die Frage nach der ethischen Zulässigkeit meist bei einer aktuellen „tagespolitischen“ Problemstellung und setzt deren konkretes situatives Umfeld voraus. Es geht also um die ethische Rechtfertigung dessen, was der Fragesteller für richtig hält und tun will. Nicht um die Frage, ob das, was er tun will, ethisch überhaupt vertretbar ist.

Das umgekehrte Vorgehen ist angebracht: Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob und unter welchen Bedingungen Töten, ein Krieg oder Rüstungsexporte überhaupt legitim sein können und dann kann gefragt werden, ob dies für ein konkretes Vorhaben eine Legitimation darstellen kann.

 

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS