Auszug
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 Europäischer Rat
          Schlußfolgerungen  des Vorsitzes
                         Brussels, 10-11 December 1999
 
Erklärung zu Tschetschenien

 
 
1. Der Europäische Rat verurteilt die schweren Bombardierungen tschetschenischer Städte, die gegen die Bewohner von Grosny gerichtete Drohung und das von den russischen Militärbefehlshabern gesetzte Ultimatum sowie die Behandlung der Binnenflüchtlinge als völlig unannehmbar. 

2. Der Europäische Rat stellt das Recht Rußlands auf Wahrung seiner territorialen Integrität und zur Bekämpfung des Terrorismus nicht in Frage. Jedoch kann der Kampf gegen den Terrorismus unter keinen Umständen rechtfertigen, daß Städte zerstört oder ihrer Bewohner entleert werden oder daß sämtliche Angehörige einer Bevölkerung als Terroristen betrachtet werden.

3. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu den Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts, den von Rußland im Rahmen der OSZE eingegangenen Verpflichtungen und seinen Verpflichtungen als Mitglied des Europarats. Dieser Krieg vertieft die Kluft zwischen dem tschetschenischen Volk und dem Rest Rußlands, und er droht die gesamte Region zu destabilisieren. Diese Krise kann nur durch eine politische Lösung beendet werden. Der Europäische Rat ist tief besorgt über die Bedrohung, die der fortdauernde Konflikt für die Stabilität der Kaukasusregion darstellt, und über die Möglichkeit eines Übergreifens der Kampfhandlungen in Tschetschenien auf Georgien und die damit verbundenen Auswirkungen auf die territoriale Integrität dieses Landes.

4. Der Europäische Rat appelliert an die russischen Behörden,

- das Ultimatum gegen die Zivilbevölkerung von Grosny nicht zu vollziehen, 

- die Bombardierungen und die unverhältnismäßige und unterschiedslose Anwendung von Gewalt gegen die tschetschenische Bevölkerung einzustellen,

- die gefahrlose Erteilung humanitärer Hilfe und sichere Bedingungen für die internationalen Hilfsorganisationen zu ermöglichen,

- unverzüglich einen politischen Dialog mit den gewählten tschetschenischen Entscheidungsträgern aufzunehmen.

5. Der Europäische Rat forderte die tschetschenischen Entscheidungsträger auf, die Regeln und Grundsätze des humanitären Rechts zu achten, den Terrorismus zu verurteilen und die Wiederaufnahme eines politischen Dialogs anzustreben.

6. Der Europäische Rat erwartet, daß Rußland die in Istanbul eingegangenen Verpflichtungen uneingeschränkt erfüllt und wahrnimmt. Er widmet dem bevorstehenden Besuch des amtierenden Vorsitzenden der OSZE in der Region besondere Aufmerksamkeit. Der Europäische Rat fordert Rußland auf, diesen Besuch für einen Dialog mit den gewählten Führern des Nordkaukasus einschließlich Tschetscheniens zu nutzen. In Nazran (Inguschetien) sollte unverzüglich eine Außenstelle der OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien eröffnet werden.

7. Auf dieser Grundlage beschließt der Europäische Rat, aus dieser Situation folgende Konsequenzen zu ziehen:

Die Anwendung der Gemeinsamen Strategie der Europäischen Union für Rußland sollte überprüft werden;

einige Bestimmungen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens sollten ausgesetzt und die Handelsbestimmungen strikt angewandt werden;

in bezug auf TACIS wird die Haushaltsbehörde ersucht, die Übertragung einiger Mittel aus TACIS auf die humanitäre Hilfe zu prüfen. Die Finanzierung nach dem Haushaltsplan für 2000 sollte auf vorrangige Bereiche, darunter Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Unterstützung der Zivilgesellschaft und nukleare Sicherheit, beschränkt werden.

Er fordert den Vorsitz und den Generalsekretär/Hohen Vertreter auf, diesen Beschluß und den Inhalt dieser Erklärung den russischen Behörden auf höchster Ebene umgehend mitzuteilen.

Er ersucht die OSZE und den Europarat, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit mit Rußland zu überprüfen.

8. Rußland ist ein wichtiger Partner für die Europäische Union. Die Union hat stets ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, Rußland bei seinem Übergang zu einem modernen und demokratischen Staat beizustehen. Rußland muß jedoch seinen Verpflichtungen nachkommen, wenn die strategische Partnerschaft ausgebaut werden soll. Die Europäische Union möchte nicht, daß Rußland sich selbst gegenüber Europa isoliert.